Wanzen-Darm enthüllt DNA-Überraschung

Bakterien im Verdauungstrakt von Stinkwanzen lassen nach Auskunft japanischer Forscher gute Einblicke in die Entwicklungsgeschichte von krankmachenden und symbiotischen Bakterien im Humanbereich zu. Japanische Forscher um Takema Fukatsu vom Japanischen National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Tsukuba haben einen Stammbaum der DNA dieser Bakterien aus den Wanzen erstellt und diesen dann mit jenem der verschiedenen Wanzen-Arten verglichen. Zu ihrem Erstaunen hatten beide Stammbäume ganz ähnliche Zweige und Verästelungen, berichten sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Public Library of Science.

Mit mehr als einer Mio. verschiedener Spezies zählen die Insekten zu den größten Klassen im Tierreich. Neben ihrem schützenden Panzer, ihrer riesigen Reproduktionsrate und ihren Flügeln halten viele Insekten symbiotische Bakterien, die in ihren Zellen (Endosymbionten) oder als freie Bakterien im Verdauungsapparat leben. Endozelluläre Symbionten leben in den verschiedenen speziellen Insektenzellen und liefern wertvolle Nährstoffe für die Tiere, die ihresgleichen den Bakterien ein sicheres Zuhause liefern. Insektenmütter übergeben die endozellulären Symbionten entweder im Ei- oder Embryostadium an ihre Nachkommen. Dadurch ist ein enges Verhältnis vorhanden, das sich offensichtlich auch im Genom von Wirt und Endosymbiont widerspiegelt. Die Phylogenese – das ist die Stammesentwicklung der Lebewesen (biologische Evolution) im Verlauf der Erdgeschichte – von Wirt und Endosymbionten zeigt, dass die Geschichte der Insektengene jene der endozellulären Symbionten widerspiegeln.

Das Team um Thomas Dandekar und Roy Gross vom Biozentrum der Universität Würzburg hat so in einem Forschungsprojekt bei Ameisen der Gattung Camponotus intrazelluläre bakterielle Symbionten untersucht, die Blochmanien. „Der Nutzen dieser Analysen ist ein Doppelter“, so Dandekar im pressetext-Interview. Zum einen ergeben sich hier neue Möglichkeiten der Insektenbekämpfung, zum anderen könne man die Symbionten in ihrer Entwicklungsgeschichte besser verstehen lernen. „Auch die menschlichen Darmbakterien sind mit Blochmanien verwandt, leben aber außerhalb von unseren Körperzellen im Darm. Bei den im japanischen Forschungsbericht untersuchten Symbionten handelt es sich um Bakterien, die den Blochmanien, aber auch Chlamydien ähneln – und damit menschlichen intrazellulären Krankheitserregern – aber außerhalb der Wirtszellen leben.“

„Die beiden Stammbäume der bakteriellen extrazellulären Symbionten und der Insektenarten verliefen offensichtlich und erstaunlich parallel“, erklärt Dandekar. Die japanischen Forscher hatten, so der Bericht, nicht damit gerechnet, solche Forschungsergebnisse zu bekommen. Bis dato war die Lehrmeinung, dass diese stark parallele Entwicklung nur bei Endosymbionten in diesem Maße vorkommt. Nun wollen die Wissenschaftler zum einen den Wirt aber auch die Bakterien verschiedenen Bedingungen aussetzen (großen und kleinen Populationen oder Mutationen) und molekular untersuchen, was dann geschieht. Fukatsu hofft, damit neue Erkenntnisse über die Evolution zu bekommen. Wenn Änderungen der Populationsgröße so entscheidend für die Co-Evolution von Wirt und Bakterium sind, spielt dies auch für die menschliche Bakterienflora eine wichtige Rolle, etwa für die Darmflora, Durchfallerkrankungen und resistente Keime.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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