Tango der Proteine

Wie dringt ein Virus in die Zelle ein, um dort seine fatale Vermehrung zu beginnen? Wie bewegen sich Bakterien und Amöben? Das sind einige der Fragen, die Professor Dr. Wolfgang Baumeister bald ganz genau beantworten kann. Mit der von ihm entwickelten Kryo-Elektronentomographie stößt der Biologe eine neue Tür in der Zellforschung auf und gibt neue Einblicke in die Nanowelt der Zelle: Er kann Tausende winzigster Proteinkomplexe und anderer Strukturen in einer Zelle gleichzeitig darstellen – und das sogar in 3D.

„Die neue Technologie ist faszinierend und wird entscheidend zum Verständnis beitragen, wie die Zelle funktioniert“, sagt Dr. Monika Lessl, Vorstand der Schering Stiftung. Die Zellen werden blitzschnell in flüssigem Stickstoff eingefroren und erstarren so in einem natürlichen Zustand. Sogar die Bewegungen der Proteine sind eingefroren und lassen sich aus mehreren Aufnahmen rekonstruieren. Für die Zukunft sieht Baumeister neben der Bedeutung für die Grundlagenforschung auch medizinische Anwendungen: „Langfristig wird man mit der Kryo-Elektronentomographie in der Lage sein, krankhafte Veränderungen im Muster der molekularen Wechselwirkungen zu entdecken. Auch den Einfluss therapeutischer Wirkstoffe auf die Interaktionen wird man beschreiben können.“

Baumeister hat den zweidimensionalen Bildern der zellulären „Inneneinrichtung“, die mit der herkömmlichen Elektronenmikroskopie aufgenommen wurden, in den vergangenen Jahren Tiefe verliehen: Zusammen mit seinem Forschungsteam passte der Leiter der Abteilung Molekulare Strukturbiologie die Technik der medizinischen Computertomographie an das Elektronenmikroskop an. Dabei werden elektronenmikroskopische Bilder einer Zelle in gefrorenem Zustand bei -196°C oder -269°C aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. Die Einzelbilder werden dann im Rechner zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt.

Professor Dr. Jürgen Mittelstraß, Direktor des Konstanzer Zentrums für Philosophie und Wissenschaftstheorie und Vorsitzender des Stiftungsrats der Schering Stiftung, ist überzeugt: „Die von Baumeister entwickelte Technologie hat enormes Potenzial. Seine Arbeiten sind richtungsweisend für das wissenschaftliche Verständnis, wie Leben funktioniert.“

Die Schering Stiftung zeichnet Menschen oder Institutionen aus, die im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich Pionierarbeit geleistet haben. Vorbilder aufzeigen, um Inspiration zu geben, so lautet die Idee, die auch mit der jährlichen Verleihung des Ernst Schering Preises umgesetzt wird. Der Ernst Schering Preis wurde 1991 von der Schering Forschungsgesellschaft ins Leben gerufen und wird seit 2003 von der Schering Stiftung verliehen. Ausgezeichnet werden exzellente Leistungen auf internationaler Ebene im Bereich biologischer, medizinischer und chemischer Grundlagenforschung.

Im Rahmen der Preisvergabe wird Prof. Baumeister am 20. September 2006 um 10:00 Uhr im Gläsernen Labor des Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC) in Berlin-Buch einen Vortrag vor rund 350 Schülern halten, gefolgt von einem öffentlichen Vortrag um 14:00 Uhr. Weitere Informationen zu diesem Vortrag: Prof. Udo Heinemann, Email: heinemann@mdc-berlin.de

Kontakt: Dr. Monika Lessl, Schering Stiftung, Friedrichstraße 82, 10117 Berlin,
Tel.: 030-2062 2960, info@scheringstiftung.de

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