ETH-Wissenschaftler untersuchen, wie sich Bakterien in Strömungen an Oberflächen festklammern

Auf ihrer Oberfläche besitzen viele Bakterien wie beispielsweise E. coli Haar-ähnliche Strukturen, so genannte Fimbriae. An deren Spitzen tragen diese FimH, ein Andockprotein, das in ungewöhnlicher Weise an Zuckermoleküle bindet, die sich auf der Oberfläche von Schleimhäuten im menschlichen Körper befinden. Wissenschaftler der ETH Zürich und der University of Washington in Seattle untersuchten nun im Detail, wie sich das Bakterium E. coli an Schleimhäute, z.B. in den Harnwegen, festklammert. Die Arbeit erscheint in der September-Ausgabe der PLoS Biology, einer wissenschaftlichen open-access Zeitschrift (www.plos.org).

Zugkraft stärkt Bindung

Die Bindung zwischen dem Andockprotein FimH und dem Zuckermolekül funktioniert ähnlich einer so genannten Chinesischen Fingerfalle, einem Juxspiel, bei welchem die Finger des Spielers in beiden Enden eines kleinen gewobenen Zylinders stecken bleiben, wenn zu schnell am Zylinder gezogen wird. Statt durch die Körperflüssigkeiten weggeschwemmt zu werden, heften sich die Bakterien nur noch stärker an die Schleimhaut und können so eine Infektion verursachen. Die Forschenden konnten nun zeigen, dass für die Wirkungsweise dieser so genannten „catch-bonds“ die mechanischen Eigenschaften der Fimbriae eine entscheidende Rolle spielen. Diese winzigen bakteriellen Härchen bestehen aus ineinander greifenden Proteinsegmenten, die eine eng gewickelte Helix mit dem Durchmesser von sieben Nanometer bilden. Die Forschungen ergaben, dass die Fimbriae unter Zug zum Mehrfachen ihrer Originallänge gestreckt werden können. Nimmt der Zug ab, zieht sich die Fimbriae-Helix wieder zusammen und hält so die Spannung auf der Bindung zwischen Bakterium und Schleimhaut. „Die Fimbriae strecken und ziehen sich zusammen, um die plötzlichen Druckunterschiede zu dämpfen, welche durch die schnell wechselnden Fliessbedingungen verursacht werden“, erklärt Prof. Viola Vogel vom Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich. Dieser Vorgang gewährleistet die Aufrechterhaltung einer optimalen Kraft auf die FimH-Zucker-Bindung, damit diese möglichst lange besteht und nicht bricht.

Bungee-Seile für Bakterien

„Das System streckt sich wie ein Bungee-Seil. Der Mechanismus jedoch beruht auf einem sequentiellen Brechen oder Formen von Bindungen, welche die helikale Fimbriaestruktur stabilisieren“, ergänzt Prof. Wendy Thomas von der University of Washington in Seattle. Manu Forero, Doktorand an der ETH Zürich, konnte zeigen, dass diejenige Kraft, bei der sich Strecken und Zusammenziehen der Fimbriae in etwa die Waage halten, jener Kraft entspricht, bei welcher FimH die stabilste Bindung mit den Zuckermolekülen eingeht. Die mechanischen und adhäsiven Eigenschaften des Systems haben sich also gleichzeitig entwickelt, sodass sich die Bakterien auch bei starker Strömung innerhalb von Wirtstieren und Menschen festklammern können.

„Die Forschung an den Fimbriae gibt uns die Möglichkeit, ein im Grunde von der Natur entwickeltes, nanotechnologisches System besser zu verstehen und für mögliche biotechnologische oder andere technische Anwendungen anzupassen“, sagt Dr. Evgeni Sokurenko von der University of Washington in Seattle. „Die Arbeit verbessert auch unser Verständnis darüber, wie wir Bakterien bekämpfen können, die sich in Harnwegen oder dem Magen-Darm-Trakt festsetzen.“

Weitere Informationen
Prof. Viola Vogel
Departement Materialwissenschaft ETH Zürich
Telefon +41 44 632 08 87
viola.vogel@mat.ethz.ch

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