Erstmals Polyketide in Coli-Bakterien gefunden

Wissenschaftler der Uni Würzburg haben einen neuen Naturstoff entdeckt. Er gehört zur Klasse der Polyketide und kommt in Escherichia-coli-Bakterien vor. Dass die Darmbewohner zur Herstellung dieser Stoffgruppe in der Lage sind, war bislang unbekannt. Für die industrielle Produktion von Medikamenten könnte sich die neue Erkenntnis als interessant erweisen.

Wie machen Bakterien den Menschen krank? Diese Frage hat schon viele Forscher umgetrieben, und inzwischen gibt es darauf auch viele Antworten. Zum Beispiel: Bakterien produzieren Proteine, mit denen sie sich besonders gut an Zellen des Menschen anheften können. Oder sie sondern Giftstoffe ab, die dem Organismus ihres Wirtes zu schaffen machen.

„Wenn man die krank machenden Eigenschaften der Bakterien wirklich verstehen und bekämpfen will, reicht es aber nicht aus, nur einzelne Gene oder Proteine anzusehen“, sagt der Infektionsbiologe Jörg Hacker von der Uni Würzburg. Stattdessen sei es nötig, das gesamte Erbgut zu betrachten. Denn viele Faktoren, mit denen Infektionserreger eine Krankheit auslösen, kommen auch bei harmlosen Verwandten vor, wo sie eben nicht krankheitserregend wirken.

Darüber berichtet Hacker mit seinem Würzburger Kollegen Ulrich Dobrindt und Forschern aus Göttingen, Ungarn und Frankreich in der Zeitschrift PNAS (Vol. 103, 32). In der Arbeit geht es um Escherichia coli: Diese Bakterien sind friedliche Bewohner des Darmes, treten aber auch in Varianten auf, die den Menschen in Gefahr bringen – etwa weil sie Blutvergiftungen auslösen oder die Harnwege infizieren.

Das neu entdeckte Polyketid findet sich bei jeder der drei genannten Coli-Varianten. Wirkt es auf die Zellen höherer Organismen ein, lässt es deren DNA auseinanderbrechen. Das behindert die Zellteilung. „Diesen Befund kann man in zwei Richtungen diskutieren“, so Hacker. Zum einen lasse sich darin eine Schädigung des Erbguts und der Zelle sehen, verbunden mit einem höheren Krebsrisiko.

Zum anderen könne durch das Zerbrechen der DNA auch die Aktivität von Zellen gebremst werden: Möglicherweise halten die Coli-Bakterien mit Hilfe des Polyketids die Immunabwehr in Schach und sichern so ihr Dasein im Darm. Und das ist letzten Endes auch für den Menschen wichtig. „Ohne Darmbakterien wären wir alle nicht lebensfähig“, sagt Hacker. Zudem sei es denkbar, dass das Polyketid auch den Vermehrungsdrang von Krebszellen unterdrücken könnte. Die wissenschaftlichen Details dieser in Kooperation mit Forschern aus Göttingen und Frankreich entstandenen Arbeit sind in „Science“ (Vol. 313, 5787) veröffentlicht.

Aus der Klasse der Polyketide stammen viele Wirkstoffe, die in der Medizin eingesetzt werden – etwa bei Infektionen, in der Krebstherapie oder zur Unterdrückung des Immunsystems. Dass Coli-Bakterien einen Vertreter dieser Substanzklasse produzieren können, eröffnet nun neue Wege: „Möglicherweise können Polyketide und verwandte Substanzen künftig biotechnologisch mit Hilfe der Bakterien hergestellt werden“, so der Würzburger Professor. Für die Produktion von Insulin zum Beispiel werden Coli-Bakterien schon seit langem eingesetzt.

Jean-Philippe Nougayrède, Stefan Homburg, Frédéric Taieb, Michèle Boury, Elzbieta Brzuszkiewicz, Gerhard Gottschalk, Carmen Buchrieser, Jörg Hacker, Ulrich Dobrindt, Eric Oswald: „Escherichia coli induces DNA double strand breaks in eukaryotic cells“, Science Vol. 313, Issue 5787, publiziert online am 11. August 2006.

Brzuszkiewicz, E., Brüggemann, H., Liesegang, H, Emmerth, M., Ölschläger, T., Nagy, G., Albermann, K., Wagner, C., Buchrieser, C., Emödy, L., Gottschalk, G., Hacker, J., and Dobrindt, U.: „How to become an uropathogen: comparative genomic analysis of extraintestinal pathogenic Escherichia coli strains“, PNAS Vol. 103, Issue 32, publiziert online 7. – 11. August 2006.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Jörg Hacker, Mobil (0160) 96 33 80 13

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