Die Hülle beweist: Die Walnuss ist wirklich eine Nuss

Die meisten Botaniker würden die Walnuss als eine Steinfrucht bezeichnen – so steht es in den Lehrbüchern. Tatsächlich ist die Walnuss aber wirklich eine Nuss. Neue Beweise dafür lieferte Dipl.-Biol. Michael Markowski in seiner Diplomarbeit (betreut am Lehrstuhl für Spezielle Botanik, Prof. Dr. Thomas Stützel), für die er nun mit dem Camillo-Schneider-Preis der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft ausgezeichnet wird. Seine mikroskopischen Untersuchungen der Hülle um die Nuss erlaubten einen Einblick in die Evolution.

Was eine Nuss ist und was nicht

Der Botaniker hat eine genaue Definition für den Begriff „Nuss“. Ob die Frucht der Echten Walnuss (Juglans regia) botanisch gesehen eine „Nuss“ ist oder nicht, hängt direkt mit der Interpretation der Hülle zusammen, die um die eigentliche Nuss herum liegt. „In der Literatur existieren dazu zwei unterschiedliche Ansichten, nach denen die Frucht der Walnuss entweder als Steinfrucht oder als echte Nuss bezeichnet wird“, erklärt Michael Markowski. Es galt also zu klären, welche Pflanzenorgane bei der Bildung der Hülle beteiligt sind.

Die verräterische Hülle um die Frucht

Ähnliche Hüll-Strukturen (Fruchtbecher oder Cupula) treten innerhalb der Familie der Buchengewächse (Fagaceae) auf. Jeder, der schon einmal im Herbst unter einer Ess-Kastanie Maronen gesammelt hat, wird sich an die schmerzhafte Begegnung mit der vierklappigen, stacheligen Fruchthülle erinnern, welche die leckeren Früchte umgibt. Eine solche Struktur ist darüber hinaus nur bei der Familie der Südbuchengewächse (Nothofagaceae) zu finden. Beide Familien gehören in die Ordnung der Buchgewächse. Über die Deutung der Cupula finden sich vielfältige Angaben in der Literatur. Eine der neueren Interpretationen besagt, dass die Cupula einem gestauchten Sprosssystem entspricht.

Vielleicht Verwandte: Walnüsse und Kastanien

Rätsel gab nun die Hülle auf, die innerhalb der Familie der Walnussgewächse (Juglandaceae) auftritt. Bei der amerikanischen Gattung Carya (Hickory) treten sogar Hüllen auf, die zur Fruchtreife mit vier Klappen aufspringen und einen harten Kern entlassen. Funktionell und oberflächlich gesehen ähnelt eine solche Struktur stark einer Buchengewächs- bzw. Südbuchengewächs-Cupula. Es ist somit denkbar, dass alle drei Hüll-Strukturen einen gemeinsamen stammesgeschichtlichen Ursprung besitzen.

Sammeln über Monate hinweg

Um diese offenen Fragen zu beantworten, sammelte und untersuchte Michael Markowski Material von ausgewählten Vertretern der fraglichen Pflanzen-Familien. Er sammelte zwischen Januar und Mai 2005 anfangs Knospen, später Blütenstände. Gesammelt hat er hauptsächlich im Botanischen Garten der RUB, dem Botanischen Garten Düsseldorf und im Gehölzgarten Ripshorst in Oberhausen. Außerdem besammelte er die Ess-Kastanien auf dem Uni-Gelände im Bereich der Mensa. Die Arten Ess-Kastanie (Castanea sativa), Südbuche (Nothofagus antarctica), Echte Walnuss (Juglans regia), Bitternuss (Carya cordiformis) und die Zapfennuss (Platycarya strobilacea) sammelte er wöchentlich. Bei anderen Arten stellte er die Entnahme von Pflanzenmaterial ein. „Da einige der Arten einer Blühperiodik unterliegen, musste ich mit dem Ausfall, d.h. Nicht-Blühen einzelner Arten rechnen“ erklärt er. „Erst nach wiederholter Knospenentnahme und Präparation konnte ich schließlich beurteilen, welche Arten in dieser Vegetationsperiode sammelwürdig waren.“

Blüten unter dem Mikroskop

Das Pflanzenmaterial, das er in allen Entwicklungsstufen der weiblichen Blüten und ihrer Hüll-Strukturen, angefangen bei sehr jungen Entwicklungsstadien (Zellprimordien) bis hin zur vollständig entwickelten Blüte, zusammengetragen hatte, untersuchte der Biologe mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie. Die dabei gewonnen Ergebnisse erlaubten schließlich eine plausible Interpretation der Hüll-Strukturen: Die Ergebnisse zeigen, dass am Aufbau der bei den Walnussgewächsen auftretenden Hülle ausschließlich Blattorgane beteiligt sind. Es handelt sich somit nicht um eine der Buchengewächse-Cupula homologe Struktur.

Von drei Blüten blieb nur eine übrig

Für einzelne Gattungen der Walnussgewächse (z. B. Gattung Carya) konnte Markowski erstmalig nachweisen, dass an der Bildung der Hülle zusätzliche Blattorgane beteiligt sind, die Rudimente eines ursprünglich mehrblütig aufgebauten Teilblütenstandes darstellen. Demnach ist also das, was bei den Walnussgewächsen bisher als Einzel-Blüte bezeichnet wurde in Wirklichkeit ein reduzierter Teilblütenstand. Dieser Teilblütenstand war ehemals dreiblütig, eine mittlere Blüte flankiert von zwei Seitenblüten. Die Seitenblüten wurden reduziert. Außerdem weist dieser Teilblütenstand das gleiche Verzweigungsmuster auf, wie es charakteristisch für die Buchengewächse ist. Somit hat Markowski nun einen morphologischen Nachweis erbracht, der andere, auf molekulargenetischen Untersuchungen beruhende Ergebnisse unterstützt. „Die Familie der Walnussgewächse gehört in die Ordnung der Buchengewächse“ fasst Michael Markowski zusammen. „Außerdem beweisen die morphologischen Untersuchungen an der Echten Walnuss die Interpretation, dass die Walnuss eine Nuss ist. Somit ist die Interpretation der Frucht als Steinfrucht, wie sie in vielen Lehrbüchern vertreten wird, nicht korrekt.“

Weitere Informationen

Dipl.-Biol. Michael Markowski, E-Mail: m.markowski@tiscalimail.de

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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