Bipotente Vorläuferzellen des Thymus entdeckt

Entwicklung eines Neothymus aus einzelnen epithelialen Zellen. Aus einem zystisch degenerierten Thymusepithel (*) lässt sich nach der Geburt durch Aktivierung des Transkriptionsfaktors Foxn1 ein selbstorganisierendes Thymusgewebe aufbauen (rot umrandet), welches eine hier dunkel gefärbte cortikale (C) und eine hellere medulläre (M) Zone aufweist. Bild: Max-Planck-Institut für Immunbiologie

Der Thymus ist ein kleines, aber sehr wichtiges Organ unseres Immunsystems, denn er liefert die Umgebung für die Entwicklung und Reifung der T-Abwehrzellen. Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg hat jetzt entdeckt, dass sich diese für die Thymusentwicklung notwendige Mikroumgebung auch noch nach der Geburt aus einzelnen epithelialen Zellen neu aufbauen lässt. Zudem haben die Forscher nachgewiesen, dass sich beide Zelltypen des Thymus aus den gleichen Vorläuferzellen bilden, diese also bipotent sind. Diese Ergebnisse lassen auf neuartige Behandlungsmöglichkeiten für Autoimmunerkrankungen hoffen (Nature 441, 22. Juni 2006).

Der Thymus ist ein unscheinbares hinter dem Brustbein gelegenes Organ. Feinschmeckern ist dieses Organ als Bries eine besondere Delikatesse. Erst seit etwa 50 Jahren ist bekannt, dass dieses Organ für die Funktion des Immunsystems unverzichtbar ist. Es sorgt für die Ausbildung der so genannten T-Zellen (T von Thymus), die Virus-infizierte Zellen und Tumorzellen aufspüren und vernichten.

Entscheidende Schritte in der Entwicklung dieser T-Zellen sind abhängig von der Umgebung, auch Stroma genannt, in der sie sich entwickeln. Der Thymus stellt diese Umgebung bereit, die dabei hilft, selbstreaktive Zellen zu eliminieren oder zu inaktivieren, die anderenfalls ihre Zerstörungskraft gegen das gesunde Körpergewebe wenden würden.

Wie fehleranfällig die Ausbildung der Selbsttoleranz ist, also die Fähigkeit zwischen körperfremden und körpereigenen Stoffen unterscheiden zu können, zeigen die vielen Menschen, die unter Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, Rheuma, Multiple Sklerose etc. leiden. Das Stroma im Thymus ist somit wesentlicher Teil einer hochkomplexen Qualitätskontrolle im Immunsystem, das für die Herausbildung und Erhaltung eines selbst-toleranten Repertoirs an T-Zellen erforderlich ist.

Die biologischen Eigenschaften des Stromas im Thymus sind seit kurzem wieder in den Fokus wissenschaftlichen Interesses gerückt, da sich mit diesen Forschungsarbeiten die Hoffnung verbindet, mögliche Defizite bei der Ausbildung der Selbsttoleranz durch gezielte Interventionen im Stroma ausgleichen zu können.

Eine wesentliche Komponente des Stromas im Thymus sind Epithelzellen, die in verschiedenen Formen vorkommen jede mit einer genau festgelegten Funktion für die Entwicklung der T-Zellen und für die Ausbildung der Selbsttoleranz. Doch wesentliche Fragen waren bislang nicht beantwortet: So wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, ob sich die unterschiedlichen Epithelzelltypen aus einer gemeinsamen oder verschiedenen Vorläuferzellen entwickeln. Diese Information ist wichtig für alle Versuche, aus einzelnen Vorläuferzellen ein Thymusstroma künstlich heranzubilden. Eine weitere wichtige Frage ist, ob solche Vorläuferzellen nur im embryonalen oder auch noch im adulten Thymus vorkommen. Ihr Vorkommen im im adulten Thymuswäre für ihre Gewinnung von entscheidender Bedeutung.

Eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg hat nun beide Fragen im Mausmodell beantwortet. Wie die Forscher berichten, lassen sich Vorläuferzellen für das Stroma des Thymus auch nachgeburtlich nachweisen – sie kommen also auch im adulten Thymus vor. Darüber hinaus konnten die Forscher mit einem speziellen genetischen Modellzeigen, dass einzelne Vorläuferzellen auch nach der Geburt die Bildung eines vollständigen Thymus initiieren können.

Zukünftig wollen sich die Wissenschaftler auf die Isolierung und Vermehrung epithelialer Vorläuferzellen konzentrieren. Ihr Ziel ist es, in geeigneten Modellen genetisch bedingter Autoimmunität zu prüfen, ob die gezielteVeränderung der epithelialen Vorläuferzellen zu einer Verbesserung der Selbsttoleranz eines Organismus führt. Sollte sich das bewahrheiten, könnte ein neues Verfahren zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten beim Menschen entwickelt werden. [TB/AT]

Originalveröffentlichung:

Conrad C. Bleul, Tatiana Corbeaux, Alexander Reuter, Paul Fisch, Joachim Schulte-Mönting, Thomas Boehm
Formation of a functional thymus initiated by a postnatal epithelial progenitor cell

Nature 441, 22 June 2006

Boehm, T.:
Quality control strategies in self/non-self discrimination systems
Cell 125, 845-858 (2006)

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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