Eine Frage der Größe: Von Aerosolteilchen zu Wolkentröpfchen

Wolken spielen eine zentrale Rolle für Klimasystem und Wasserkreislauf der Erde. Das Verhalten einer Wolke hängt in hohem Maße von der Anzahl und Größe der Tröpfchen ab, aus denen sie besteht. Jedes dieser Tröpfchen benötigt zum Wachsen ein Aerosolteilchen als Keim, genannt Wolkenkondensationskern (cloud condensation nucleus, CCN). Es ist deshalb wichtig zu verstehen, welche Eigenschaften es einem Aerosolteilchen ermöglichen, zu einem Wolkentropfen anzuwachsen. Einfache physikalisch-chemische Betrachtungen zeigen, dass dies in erster Näherung von der Anzahl der löslichen Moleküle abhängt, die das Teilchen enthält. Diese wiederum hängt von der Größe und Zusammensetzung der Moleküle ab. Wenn man sich die äußerst verschiedenartige Herkunft der Teilchen in der Atmosphäre vor Augen hält – z.B. Meersalz, Staub, Rauch, industrielle Emissionen – wird deutlich, dass die Komplexität ihrer Zusammensetzung lange als Haupthindernis für die Modellierung und Vorhersage von Aerosoleffekten auf die Wolkeneigenschaften und das Klima angesehen wurde.

Wie das Wissenschaftsmagazin Science berichtet, haben nun Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz diesen Einfluss von Aerosolgröße und -zusammensetzung systematisch untersucht. Zur Trennung beider Effekte haben sie Umgebungsaerosole in enge Größenbereiche unterteilt (Durchmesser zwischen 40 und 120 Millionstel Millimeter) und dann deren chemische Zusammensetzung und Wachstumsfähigkeit untersucht. Die Messungen wurden im Sommer 2004 am Kleinen Feldberg im Taunus durchgeführt. Während der dreiwöchigen Messperiode wurden an der Bergstation sehr unterschiedliche Luftmassen vorgefunden: gealterte Kontinentalluft reich an industriellen und Verkehrsschadstoffen, marine Luftmassen, die sehr rasch vom Nordatlantik herübergezogen waren, und frisch verschmutzte Luft aus dem dicht besiedelten und hoch industrialisierten Rhein-Main-Gebiet. Der Hauptbestandteil in allen Luftmassentypen war organisches Material, gefolgt von Ammonium, Sulfat und Nitrat. Bemerkenswerterweise schien sich der lösliche Anteil der Teilchen nicht allzu sehr zu unterscheiden, trotz der sehr unterschiedlichen Vorgeschichte der Luft.

Die Messungen der Mainzer Forscher zeigen, dass die Größe der Teilchen eine wesentlich wichtigere Rolle bei der Bildung von Wolkentropfen spielt als deren Zusammensetzung – zumindest bei den Aerosoltypen an unserem kontinentalen Messort.

Der Hauptgrund hiefür ist, dass die Fähigkeit eines Teilchens als Wolkenkondensationskern zu wirken in erster Näherung von der Gesamtzahl der darin enthaltenen löslichen Moleküle abhängt. Diese Anzahl hängt in der dritten Potenz vom Teilchendurchmesser ab, aber nur linear vom löslichen Massenanteil, d.h. der Zusammensetzung.

Die Tatsache, dass, zumindest bei den in Europa angetroffenen Aerosolen, die Teilchenzusammensetzung nur von sekundärer Bedeutung für das Wachstum der Wolkentropfen ist, hat große praktische Vorteile. Die Abschätzung von CCN-Konzentrationen aus relativ einfachen Messungen wird dadurch wesentlich leichter, und deren Darstellung in Wolken- und Klimamodellen deutlich vereinfacht. Wenn man die typischen größenaufgelösten CCN-Wirkungsgrade für wichtige Gebiete und Aerosolarten kennt, können die CCN-Konzentrationen aus beobachteten oder modellierten Teilchengrößenverteilungen abgeschätzt werden. Daher sollten Feldversuche in verschiedenen Gebieten mit dem Ziel durchgeführt werden, eine Datensammlung solcher größenaufgelösten CCN-Wirkungsgrade zu erstellen. Bei Modellrechnungen sollten eher Anstrengungen unternommen werden, die Teilchengrößeverteilungen exakt vorherzusagen als die genaue chemische Zusammensetzung.

Die Ergebnisse der Mainzer Forscher bieten auch eine Grundlage für die Abschätzung von CCN-Häufigkeiten über größere Zeit- und Raumskalen aus Fernerkundungsdaten, da Aerosol-Teilchengrößeverteilungen wesentlich einfacher durch Fernerkundung erhalten werden können als Teilchenzusammensetzungen.

Originalveröffentlichung:

U. Dusek, G. P. Frank, L. Hildebrandt, J. Curtius, J. Schneider, S. Walter, D. Chand, F. Drewnick, S. Hings, D. Jung, S. Borrmann, and M. O. Andreae
Size matters more than chemistry for cloud nucleating ability of aerosol particles

Science, 2 June 2006

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Meinrat O. Andreae
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: +49 (0)6131 305 421
E-Mail: andreae@mpch-mainz.mpg.de
Prof. Stephan Borrmann
Institut für Physik der Atmosphäre
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel.: +49 (0) 6131 39-23396
E-Mail: borrmann@uni-mainz.de

Media Contact

Dr. Mirjana Kotowski idw

Weitere Informationen:

http://www.mpch-mainz.mpg.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer