Das menschliche Erbgut ist entschlüsselt Was folgt nun? Interdisziplinäre Konferenz in Heidelberg

Mit der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts und seiner Veröffentlichung zu Beginn diesen Jahres ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten für die Behandlung erbgutbedingter Krankheiten aber auch mögliche soziale Probleme. Was uns das neu erlangte Wissen bringt, diskutieren die etwa 250 Teilnehmer der interdisziplinären Konferenz „Von den Genen zur Heilung“ vom 16. 11. – 18. 11. 2001 in Heidelberg. Zu der Konferenz eingeladen haben die Europäische Molekularbiologie Organisation (EMBO) und das Europäische Molekularbiologie Laboratorium (EMBL).

Genforschung geht uns alle an, und daher begrüßen EMBO und EMBL in den folgenden beiden Tagen ein breites Publikum zum aktiven Dialog über die Genforschung und ihre Konsequenzen. Neben Wissenschaftlern, Ärzten, Patienten, Ethikern und Sozialforschern nehmen auch Laien, darunter Lehrer und Schüler, an der Tagung teil. Fest steht, dass die Fortschritte, die die Wissenschaft in den vergangenen Jahren gemacht hat unser Leben und unser soziales Miteinander entscheidend beeinflussen werden. Dazu gehört, dass neue Diagnoseverfahren es erlauben, Krankheiten gezielt und frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus ist es Medizinern nun möglich, neuartige Therapieansätze zu entwickeln. Patienten können besser und rascher behandelt werden. Dies weckt bei vielen unheilbar erkrankten Patienten die Hoffnung auf Heilung und eine bessere Versorgung.
Aber die Wissenschaft stößt zunächst noch an Grenzen: Einige Krankheiten, zum Beispiel die Chorea-Huntington Krankheit (früher auch erblicher Veitstanz genannt), bei der es zu schweren Störungen des Nervensystems kommt, können zwar jetzt schon frühzeitig diagnostiziert werden, eine Heilung ist aber zur Zeit noch nicht in Aussicht. In solchen Fällen kann das Wissen für den Einzelnen zum Fluch werden. Darf dann das Recht auf Wissen das Recht des Patienten auf Unwissen verdrängen?
Kritiker der neuen Techniken befürchten Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen, die zum „gläsernen“ Menschen führen könnten. Versicherungen, Arbeitgeber oder andere Personen könnten Informationen erlangen, die aus Sicht des Betroffenen nur ihm oder ihr vorbehalten bleiben sollten. „Mit unserer Konferenz möchten wir den Teilnehmern ein Forum bieten, auf dem sie sich nicht nur über die neuen Techniken und ihren Möglichkeiten informieren können, sondern auch konstruktiv über Vorteile, Risiken und Ängste diskutieren und sprechen können,“ erklärt Andrew Moore, Projektleiter für „Wissenschaft und Gesellschaft“ bei EMBO und Veranstalter der Konferenz.
Ferner sieht EMBO in der Tagung eine Chance, den bereits begonnenen offenen Diskurs über den Stellenwert der Wissenschaft in der Gesellschaft fortzusetzen. „Während in der USA Forschung und Wissenschaft in der Öffentlichkeit meist ein positives Ansehen genießen, haben viele Europäer modernen Techniken und der Wissenschaft gegenüber Vorbehalte. Mit der Konferenz wollen wir zu einem besseren Verständnis zwischen den unterschiedlichen Positionen beitragen.“ Dabei sieht Andrew Moore nicht nur soziale Vor- oder Nachteile, die der wissenschaftliche Fortschritt mit sich bringt. „Eine gute wissenschaftliche Basis bringt auch der europäischen Wirtschaft Vorteile. Von einer gut funktionierenden Wirtschaft profitieren wiederum alle Europäer. Eine verantwortungsvolle Nutzung der neuen Technologien kann aber nur im Einvernehmen mit allen beteiligten Gruppen erfolgen,“ sagt Andrew Moore. „Wissenschaft muss wieder einen festen Platz inmitten der Gesellschaft einnehmen. Ein konstruktiver offener Dialog der unterschiedlichen Interessengruppen ist ein erster Schritt dorthin.“

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Dr. Ellen Peerenboom idw

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