Wissenschaftler lüften das Geheimnis des "Süßwasser-Geschmacks"

Dies fand jetzt ein deutsch-amerikanisches Wissenschaftlerteam heraus, zu dem auch Forscher des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) gehören. Die am 23. April in der Fachzeitschrift Nature online publizierten Studienergebnisse könnten für die Entwicklung neuer Zuckeraustauschstoffe hilfreich sein oder dazu beitragen, bekannte Süßstoffe wirksamer einzusetzen.

In geringen Konzentrationen schmecken Saccharin und Azesulfam K sehr süß. Bei hohen Dosen nimmt ihr Süßgeschmack jedoch stark ab und ein bitterer Nachgeschmack entsteht. Spült man den Mund dann mit Wasser aus, so kehrt sich das Geschmacksempfinden wieder um und man nimmt einen sehr intensiven, süßen „Wasser-Geschmack“ wahr.

Bereits im vorletzten Jahr konnten DIfE-Wissenschaftler um Professor Wolfgang Meyerhof zeigen, dass beide Süßstoffe bestimmte Bittergeschmacks-Rezeptoren aktivieren und somit einen bitteren Nachgeschmack verursachen können*. Nun fanden die Forscher auch eine Erklärung für das Phänomen des „Süßwasser-Geschmacks“. Saccharin und Azesulfam K können Süßgeschmacks-Rezeptoren aktivieren aber auch hemmen. Doch wie ist dies möglich?

Die vorliegenden Studienergebnisse liefern Beweise für das Vorhandensein von zwei unterschiedlichen Saccharin-Bindungsstellen am Rezeptormolekül, mit dem der Rezeptor, vereinfacht ausgedrückt, „an-“ oder „ausgeschaltet“ werden kann. An die erste Bindungsstelle, die den Rezeptor „anschaltet“, bindet Saccharin bereits in geringen Konzentrationen sehr leicht. Ist der Rezeptor „angeschaltet“, nehmen wir einen süßen Geschmack wahr. Wenn die Süßstoffkonzentration steigt, das heißt sehr viele Saccharinmoleküle vorhanden sind, besetzen sie auch die zweite Bindungsstelle. Diese Bindung ändert nun die räumliche Anordnung des Rezeptors, und „schaltet ihn aus“ – der Süßgeschmack verschwindet. Spült man die meisten Süßstoffmoleküle wieder mit Wasser weg, bleiben nur noch die an der ersten Bindungsstelle relativ fest gebundenen übrig. Der Rezeptor ist somit wieder „angeschaltet“ und wir haben den Eindruck Wasser schmeckt „süß“.

„Auch andere Substanzen wie Magnesiumsulfat oder Laktisol, die selbst nicht süß schmecken aber zu den Süßgeschmacks-Blockern zählen, verleihen nach einem ähnlichen Prinzip Wasser einen süßen Geschmack.“ so Geschmacksforscher Dr. Bernd Bufe vom DIfE „Es wäre daher denkbar, anhand des Süßwassergeschmacks weitere Substanzen zu identifizieren, die die Süßgeschmacks-Rezeptoren hemmen. Neue Hemmstoffe könnten beispielsweise für die Lebensmittelindustrie interessant sein.“

Galindo-Cuspinera V, Winnig M, Bufe B, Meyerhof W, Breslin PAS. A TAS1R receptor-based explanation of sweet ’water-taste’. Nature 2006 Epub ahead of print.

Hintergrundinformation:

Laktisol ist ein geschmacks-modifizierender Stoff, den die Firma Domino Sugar verkauft. Bereits in sehr geringen Konzentrationen (100-150 ppm) kann Laktisol die Wahrnehmung des Süßgeschmacks unterdrücken. Lebensmittelhersteller nutzen Laktisol bei der Herstellung von beispielsweise Marmeladen oder Gelee, die große Mengen Zucker enthalten, um den fruchtigen Geschmack dieser Produkte zu verstärken. Chemisch gesehen handelt es sich bei Laktisol um das Natriumsalz der 2-(4-methoxyphenoxy)-Propionsäure. In den USA ist Laktisol als sicherer Geschmacksverbesserer anerkannt.

*Kuhn C, Bufe B, Winnig M, Hofmann T, Frank O, Behrens M, Lewtschenko T, Slack JP, Ward CD, Meyerhof W. Bitter taste receptors for saccharin and acesulfame K. J Neurosci. 2004 Nov 10;24(45):10260-5.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 84 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

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Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
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