Samen ohne Bitterstoffe aus transgenem Raps

Brassica napus - Foto: IPB

Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie startet große Kooperation mit Kanada

Wissenschaftlern des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle ist es gelungen, Gene für Enzyme aus Raps (Brassica napus) zu isolieren, die für die Synthese von phenolischen Bitterstoffen im Samen verantwortlich sind. Diese Gene wurden genutzt, um transgene Rapssorten herzustellen, in deren Samen die Bitterstoffsynthese um etwa 80 Prozent reduziert ist. Die Arbeiten der Hallenser Wissenschaftler erfolgten als Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes „NAPUS 2000 – gesunde Lebensmittel aus transgener Rapssaat“. Nach der erfolgreichen Transformation des Rapses sollten sich die transgenen Pflanzen im Freiland bewähren. Doch „NAPUS 2000“ gibt es nicht mehr. Bedauerlicherweise wurde das Projekt zu einem Zeitpunkt beendet, an dem die ersten anwendungsbezogenen Aspekte hätten entwickelt werden können. Jetzt haben die ehemaligen Verbundpartner ein Folgeprojekt ins Leben gerufen. Seit Beginn dieses Jahres will man in einer Kooperation mit Kanada die noch ausstehenden Freilandversuche künftig in Übersee durchführen lassen. Das deutsche Projekt trägt den Namen „YelLowSin Rapeseed“. Auch dieses Projekt wird vom BMBF mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Die meisten Laborarbeiten sollen indes in Deutschland weitergeführt werden. Wichtiges Teilprojekt der Hallenser Pflanzenforscher: Sie wollen mit einem neuen Versuchsansatz den Bitterstoffgehalt im Rapssamen auf ein absolutes Minimum reduzieren.

Raps ist eine Pflanze mit weit unterschätztem Potenzial. Neben der bereits genutzten Ölfraktion enthält ihr Samen jede Menge Protein, das reich an seltenen Aminosäuren ist. Nach dem Auspressen der Samen entsteht also ein reichhaltiger Presskuchen, der als Nahrungsmittelzusatz verwendet werden könnte. Zurzeit wird der Pressrückstand als zusätzliche Eiweißquelle an Schweine, Rinder und Hühner verfüttert. Bei zu viel Konsum der proteinreichen Kost bekommen die Wiederkäuer jedoch Verdauungsprobleme und die Eier derart gefütterter Legehennen weisen einen fischigen Geruch und Geschmack auf. Der Grund sind die für Kreuzblütler typischen phenolischen Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Sinapin, ein phenolischer Cholinester, der sich vor allem im Samen der Pflanze anreichert. Diese antinutritiven Substanzen bewirken auch, dass Pressrückstand und Mehl der Samen bitter schmecken und sich durch Oxidation dunkel verfärben. Damit erweist sich diese Proteinquelle auch für die menschliche Nahrung als unbrauchbar.

„Eine Idee des NAPUS – Projektes bestand darin, in einem Modellversuch transgene Pflanzen herzustellen, in deren Samen die Synthese der Bitterstoffe reduziert bzw. blockiert wird“, erklärt Carsten Milkowski, Wissenschaftler am IPB. Die beteiligten Enzyme der Sinapinbiosynthese kennt man schon lange. Sie wurden bereits in den 80er Jahren von Professor Dieter Strack, Leiter der Abteilung der Sekundärstoffwechsel am IPB, entdeckt und beschrieben. „Ein Syntheseenzym und seine Wirkung zu kennen ist eine unabdingbare Voraussetzung, aber für das Ausschalten der entsprechenden Gene, benötigt man die DNA-Sequenz, das Gen an sich“, beschreibt Milkowski das Problem, vor dem er am Anfang stand. Für eine gentechnische Veränderung der Pflanzen mussten also zunächst die für die Syntheseenzyme kodierenden Gene aus Raps isoliert werden. Das gleicht mitunter einer Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Denn Pflanzen besitzen eine enorme Ausstattung an Genen. Viele dieser Gene kommen in mehreren Kopien vor und kodieren für ähnliche Enzyme, andere wurden im Laufe der Evolution stillgelegt und existieren nur noch als Pseudogene. Aus diesem Dschungel das richtige Gen zu fischen ist deshalb oft extrem schwierig und zeitaufwendig. „Gemeinsam mit drei weiteren Wissenschaftlern haben wir zwei Jahre gebraucht, um die Gene der beiden entscheidenden Syntheseenzyme zu isolieren und funktionell zu charakterisieren“, konstatiert Milkowski.

Das Einschleusen der Gene in die Rapspflanzen (Transformation) erfolgte dann von anderen NAPUS-Partnern, dem Resistenzlabor der Deutschen Saaten-Union und Wissenschaftlern der Universität Göttingen. Den Ergebnissen zufolge, konnte der Sinapingehalt in den Samen durch die Transformation um 80 Prozent gesenkt werden. Ein schöner Erfolg. Die Überprüfung der agronomischen Eigenschaften der transgenen Pflanzen im Freiland wird jetzt, im Rahmen des „YelLowSin Rapeseed“-Projektes, jedoch in Kanada stattfinden. Dort scheint die Akzeptanz bei den Verbrauchern generell höher zu sein. Der Anteil an transgenen Rapspflanzen liegt in diesem Land bei 80 Prozent. Die Kanadier haben ein großes wirtschaftliches Interesse daran, die natürlichen Ressourcen des gelbblühenden Ölspenders vollends auszuschöpfen.

„Aus dieser Kooperation ergeben sich auch in wissenschaftlicher Hinsicht ganz andere Perspektiven“, sagt der promovierte Biologe. Aus klimatischen Gründen bauen die Kanadier Sommerraps an. Dieser sogenannte Canolaraps ist weniger ertragreich als der bei uns verwendete Winterraps. Bestimmte Varianten dieser Sorte haben gelbe Samen. Das Merkmal Gelbsamigkeit ist mit einer dünnwandigen Samenschale verbunden, die weniger schwer verdauliche Farb- und Faserstoffe enthält als unsere schwarzschalige Sorte. Damit lässt sich Canolaraps nicht nur besser verarbeiten, auch sein Protein- und Ölgehalt ist höher als der des in unseren Breitengraden angebauten Winterrapses. Mit einem Mix aus Züchtung und Gentechnik könnte man jetzt versuchen, die positiven Eigenschaften beider Rapssorten zu kombinieren.

„Unsere Aufgabe besteht zunächst darin, den verbleibenden Restgehalt von 20 Prozent Sinapin in den bereits transformierten Rapspflanzen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren“, erklärt Milkowski. Das will man erreichen, indem man zusätzlich ein bakterielles Gen in die transgene Rapspflanze einbringt. Das Gen kodiert für ein Enzym, das einen wichtigen Baustein des Sinapins in einen anderen Stoff umwandelt und ihn damit für die Synthese des bitteren Endproduktes nicht mehr verfügbar macht. Bei Erfolg dieser Strategie würde sich statt des Sinapins eine andere Substanz, das Glycinbetain in den Samen anreichern. Glycinbetain schützt Pflanzen vor Kälte- und Salzstress, wirkt sich aber sonst nicht negativ auf ihren Stoffwechsel aus. „Indem wir einerseits die beteiligten Enzyme reduzieren und zusätzlich die erforderlichen Ausgangsprodukte aus dem Syntheseweg nehmen, hoffen wir, die Bitterstoffsynthese im Samen völlig auszuschalten“, fasst Milkowski zusammen.

Diese Versuche werden zunächst an unserem schwarzsamigen Winterraps durchgeführt. Bei Erfolg sollen sie dann auch beim gelbsamigen kanadischen Sommerraps angewendet werden, der dadurch möglicherweise kälteresistenter wird. Mit weiteren züchterischen Selektionen könnte eine gelbsamige Rapssorte entstehen, die, bedingt durch die Kälteresistenz auch in nördlichen Breiten angebaut werden kann, hohe Erträge bringt und deren Samen keine Bitterstoffe mehr enthalten. Das klingt sehr optimistisch, aber der Name des Projektes verweist auch eindeutig auf das angestrebte Ziel der Kooperation. YelLowSin Rapeseed steht für Yellow Low Sinapin – gelber Rapssamen mit wenig Sinapin. „Dieses Ziel werden wir mit Sicherheit erreichen“, bekräftigt Professor Dieter Strack. Die Finanzierung vom BMBF erstreckt sich insgesamt über 5 Jahre. Vielleicht werden in dieser Zeit die hiesigen Gesetze gelockert und die Akzeptanz der Verbraucher erhöht, sodass am Ende nicht nur die Kanadier davon profitieren.

Hintergrund

Transformation von Pflanzen

Die gängigste Methode, Pflanzen gentechnisch zu verändern ist die Transformation mit Agrobakterien. Agrobacterium tumefaciens ist ein natürlich vorkommendes Bodenbakterium, das bei bestimmten Pflanzen tumorähnliche Wucherungen im Übergangsbereich zwischen Wurzeln und Spross (Wurzelhalsgallentumor) auslösen kann. Dabei zwingt das Bakterium die Pflanze, spezielle Aminosäuren für die eigene Ernährung zu produzieren, indem es Abschnitte seiner eigenen DNA (mit den notwendigen Aminosäure – Synthesegenen) in die Pflanzenzelle schleust. Wissenschaftler nutzen diesen Trick der Natur für ihre Zwecke. Sie ersetzen die Tumorgene auf der Bakterien-DNA durch jene Gene, die sie gerne in der Pflanze hätten (z.B. für eine Herbizid- oder Insektenresistenz). Der Transport der DNA in die Pflanzenzelle wird dann, wie gehabt, den Agrobakterien überlassen.

Transformation von Raps

Konkret bei Raps werden mehrere tausend Keimlinge in kleine Scheiben geschnitten und mit Agrobakterien infiziert. Der gewünschte Transfer und Einbau der Fremd-DNA in das Pflanzenchromosom erfolgt nur zu einem äußerst geringen Prozentsatz. Aus den transformierten Scheibchen kann man dann durch Zugabe von bestimmten pflanzlichen Hormonen wieder ganze Pflanzen heranziehen. Bis die ersten transgenen Rapspflänzchen in die Erde kommen, vergehen etwa neun Monate. Auf diese Art und Weise können fremde Gene (z.B. für eine Herbizid- oder Insektenresistenz) in die Pflanzen eingeschleust werden. Ähnlich funktioniert auch das Ausschalten bereits vorhandener Pflanzengene.

Ansprechpartner: Dr. Carsten Milkowski
Abteilung Sekundärstoffwechsel
Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie
Weinberg 3
06120 Halle
Tel. 0345 5582 1533
cmilkows@ipb-halle.de

Professor Dieter Strack
Leiter der Abteilung Sekundärstoffwechsel
Tel. 0345 5582 1500
dstrack@ipb-halle.de

Sylvia Pieplow
0345 5582 1110
spieplow@ipb-halle.de

Media Contact

Sylvia Pieplow idw

Weitere Informationen:

http://www.ipb-halle.de/

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