Struktur eines zellulären Multitalents entschlüsselt – Zentrale Abbauprozesse in allen Organismen ähnlich

Die dem Erbmolekül DNA nahe verwandte Nukleinsäure RNA kommt in allen Zellen vor und übernimmt eine Reihe wichtiger Funktionen, etwa Informationsübertragung und Transport. Wie DNA auch, bestehen RNA-Moleküle aus langen, dünnen Ketten. Dabei können aus einem Vorläufer verschiedene RNA-Moleküle mit unterschiedlicher Länge, Sequenz und Funktion entstehen. In höheren Organismen und den Archaea, einer Gruppe von Mikroorganismen, die formal nicht zu den Bakterien gehören, wurde ein Komplex identifiziert, der sich aus RNA abbauenden Enzymen zusammensetzt. Dieses so genannte Exosom ist für einige der Verarbeitungsvarianten von RNA zuständig, aber auch maßgeblich am Abbau der Moleküle beteiligt. Katharina Büttner, Dr. Katja Wenig und Professor Karl-Peter Hopfner vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München konnten nun die Struktur von zwei Varianten eines Archaea-Exosoms aufklären, wie in „Molecular Cell“ berichtet. Dieses Ergebnis hat für die Verarbeitung und den Abbau von RNA in allen Organismen, auch den Bakterien, sowie den Abbau anderer Moleküle in der Zelle große Relevanz.

Ohne RNA geht gar nichts: In allen Zellen spielen diese fadenförmigen Moleküle eine zentrale Rolle. Erzeugt werden sie durch die Abschrift bestimmter Abschnitte der DNA. Nach diesem Schritt können aber noch zahlreiche Veränderungen vorgenommen werden, etwa Kürzungen oder die Entfernung von kleineren RNA-Abschnitten. Die Entdeckung der Exosomen vor einigen Jahren war so spannend, weil diese Enzymkomplexe bei den meisten der Verarbeitungsvarianten von RNA und deren Abbau verantwortlich oder maßgeblich beteiligt sind. Wie diese Prozesse in den Exosomen ablaufen, war bislang allerdings weitgehend unklar. So weiß man etwa noch nicht, warum manche RNA-Moleküle nur gekürzt, andere aber vollständig abgebaut werden.

Hopfner und seinen Mitarbeiterinnen gelang nun mit der Strukturanalyse der beiden Varianten des Archaea-Exosoms ein großer Schritt. „Wir konnten zeigen, dass bei beiden Varianten dieses Enzymkomplexes im Inneren unter anderem ein Ring enthalten ist, der die zentrale Kammer umschließt, in der RNA verarbeitet wird“, berichtet Hopfner. „Auf einer Seite des Rings befindet sich eine Art Plattform, auf der die ankommenden RNA-Substrate überprüft werden. Inmitten dieses Bereichs liegt eine Öffnung, durch die RNA-Moleküle in das Exosom gelangen.“

Die von Hopfners Team entschlüsselten Strukturen könnten jetzt für eine Reihe von Abbauprozessen wichtig sein. „Überraschend war für uns auch die Ähnlichkeit des RNA-Abbaus in Exosomen zu einem anderen wichtigen Prozess in der Zelle“, berichtet Hopfner. „In weiten Teilen übereinstimmend läuft nämlich auch der Abbau der Proteine in den so genannten Proteasomen ab.“ Die Ergebnisse sollen zudem die Analyse der Exosomen in höheren Organismen erleichtern. Auch wenn diese sehr viel komplexer sind, konnten bereits weit reichende Übereinstimmungen mit den Archaea-Exosomen nachgewiesen werden. So hat sich etwa die innere Struktur der Exosomen im Laufe der Evolution wohl weitgehend bewahrt. „Wir können jetzt die molekularen, RNA-verarbeitenden Maschinen in allen Organismen vergleichen“, so Hopfner. „Das sind die Exosomen in den Archaea und höheren Organismen, aber auch die entsprechenden Komplexe in Bakterien, die dieselben Aufgaben übernehmen und den Exosomen im Aufbau überraschend ähnlich sind.’“

Publikation:

„Structural Framework for the Mechanism of Archaeal Exosomes in RNA Processing“,
Katharina Büttner, Katja Wenig, and Karl-Peter Hopfner, Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Molecular Cell, Vol. 20, 11. November 2005

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Karl-Peter Hopfner
Genzentrum der Ludwig-Maximilians Universität München
Tel: 089 / 2180-76953
Fax: 089 / 2180-76999
E-Mail: hopfner@lmb.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

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