Ein Gel auf Befehl

Wechsel zwischen Flüssigkeit und Gel: Konformationsänderung molekularer Aggregate in Abhängigkeit vom Gegenion


Verdrillte Nanostrukturen sind ein wichtiges Motiv in der Biologie, man denke nur an die DNA-Doppelhelix und an Proteine, bei denen schraubenförmige Bereiche wichtig für die Funktion sind. Forscher sind bemüht, künstliche Helices herzustellen, die für nanotechnologische Anwendungen interessant sein können. Koreanischen Forschern ist es nun gelungen, ein molekulares System zu kreieren, das sich sogar „auf Befehl“ zu Helices anordnet – und dabei die zunächst flüssige Lösung in ein Gel verwandelt.

Das Team um Myongsoo Lee an der Yonsei University in Seoul entwarf einen speziellen Molekültyp als Grundbaustein für die Helices. Es handelt sich dabei um einen Grundkörper aus drei aromatischen Ringen, der wie ein Bumerang gebogen ist. Am mittleren Ring hängt eine lange verzweigte Seitenkette. Wird ein Silbersalz zu einer Lösung dieser Moleküle zugegeben, bildet sich eine Komplexverbindung zwischen den Molekülen und den positiv geladenen Silberionen: Die „Bumerangs“ nehmen die Silberionen regelrecht in die Zange. Ist das negativ geladene Gegenion des Silbersalzes Bortetrafluorid (BF4-), stapeln sich die Komplexe zu langen gewundenen Säulen. Die BF4- -Ionen passen nämlich genau in den Hohlraum, der im „Bauch“ dieser Helices frei bleibt, und stabilisieren sie. Erstaunliches passiert nun: Die Flüssigkeit erstarrt zu einer geleeartigen Masse. Wie das? Wie sich zeigte, aggregieren die Helices zu regelrechten Faserbündeln, sie sich ineinander verheddern und so ein verflochtenes dreidimensionales Netzwerk bilden. Die Flüssigkeit bleibt fest in dieses faserige Gerüst eingelagert – ein Gel, eine Art Zwischending zwischen Flüssigkeit und Feststoff, entsteht.

Gibt man nun ein Fluorsalz zu dem Gel, verflüssigt es sich wieder. Grund ist die enorme Anziehungskraft, die die Fluoridionen (F- ) auf die Silberionen ausüben und sie so aus den Komplexen herauslocken. Die faserigen Aggregate zerfallen wieder in einzelne Moleküle. Der Effekt ist umkehrbar, wenn die Fluoridionen durch Zugabe bestimmter anderer Salze abgefangen werden.

Gibt man zu dem Gel Salze mit dem Anion C2F5CO 2-, verflüssigt es sich ebenfalls wieder. Wie elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, steckt hier etwas Anderes hinter dem beobachteten Phänomen. Die Komplexe zerfallen nicht in einzelne Moleküle, sondern ordnen sich zu einer anderen Struktur an. Statt der verflochtenen helicalen Säulen entstehen einzelne Zickzack-artig erscheinende Bänder. Der Grund für den Strukturwandel liegt in der Größe des Anions: C2F5CO 2- ist größer als die BF4- -Ionen und passt damit nicht in den Hohlraum der Helices, die nun nicht mehr stabilisiert werden. Ein neuer Typ eines „intelligenten“ Nanomaterials ist damit geboren, dessen Eigenschaften ganz allein über die Wahl des Gegenions geschaltet werden können.

Autor: Myongsoo Lee, Yonsei University, Seoul (Korea)

Angewandte Chemie: Presseinformation 34/2005

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Dr. Renate Hoer idw

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