Ein kleines Licht im Dunkel der Vergangenheit. Mit dem Forschungsschiff Meteor auf der Suche nach Spirula

Spirula <br><br>(c) Kerstin Warnke

Tintenfische sind für Paläontologen von großer Bedeutung, denn sie waren – wesentlich länger als die Dinosaurier an Land – die Herrscher der Weltmeere. Ihre versteinerte Schale macht die Ammoniten auch heute, 65 Millionen Jahren nach ihrem Aussterben, noch gut sichtbar und führt die Paläontologen als Leitfossil durch die Gesteinsschichten. Die Wissenschaftler versuchen, Rückschlüsse auf das damalige Leben der Kopffüßer zu ziehen. Doch das geht nicht ohne die Biologie. Bisher beschränkten sich die Untersuchungen hauptsächlich auf Nautilus, jetzt nimmt Dr. Kerstin Warnke aus der Fachrichtung Paläontologie der Freien Universität (FU) Berlin einen anderen rezenten Tintenfisch unter die Lupe: Spirula spirula. Auf dem Forschungsschiff Meteor ging die Biologin jetzt auf die Suche nach dem schwer zu findenden Weichtier. Und wurde fündig.

Der Abschnitt der Expedition M65-3 führte die Meteor von Las Palmas bis vor die Küste Marokkos. Dort ging Spirula der deutschen Forscherin ins extra für den Fang angefertigte pelagische Schleppnetz. Über das so genannte Posthörnchen, das als einziger moderner Tintenfisch eine gut entwickelte innere Schale besitzt, ist zurzeit wenig bekannt. Deshalb war es überaus spannend, das Verhalten des bis zu sieben Zentimeter großen Cephalopoden im Aquarium zu studieren. Deutlich größere Bedeutung hatte jedoch der Fang geschlechtsreifer Weibchen und Männchen. Denn Spirula wird als geeignetes Modell für die Embryonalentwicklung der bereits am Ende der Kreidezeit ausgestorbenen Ammoniten angesehen. Warum? Weil beispielsweise die Eigröße und der Aufbau der Anfangskammer der Schale des kleinen Kopffüßers denen der Ammoniten sehr ähnlich sind.

Eier und Spermien wurden den Tieren entnommen, um durch künstliche Befruchtung die Embryonalentwicklung einzuleiten. Bisher ist weder bekannt wie die frisch geschlüpften Tiere aussehen, noch in welcher Tiefe, Lokalität oder Form der Laich abgelegt wird. So weit hofft Kerstin Warnke kaum zu kommen. Sie hält jetzt, da sie zurück in der FU Berlin ist, die Entdeckung erster Embryonalstadien für realistisch.

Sämtliche zwischen 200 und 800 Meter Tiefe gefangenen Spirula wurden noch auf der Meteor eingefroren oder in Alkohol fixiert, um eine weitere Aufgabe angehen zu können: Die Präzisierung der Stellung des Posthörnchens in der Gruppe der Cephalopoden. Durch DNA-Analysen soll herausgefunden werden, wo sich Spirula eingliedert und ob es möglicherweise mehrere Arten gibt. Für diese Arbeit sind auch die nebenbei gefangenen weiteren 15 Tiefsee-Tintenfische durchaus von Wert.

Dominiert war der Fang durch Vertreter der typischen Tiefseefauna (Anglerfische, Leuchtsardinen, Leuchtgarnelen etc.). Diesen Beifang bekamen die Kooperationspartner vom Instituto Canarias Ciencias Marinas (ICCM) auf Gran Canaria zur taxonomischen Auswertung. Vor der Meteor-Ausfahrt hatte das ICCM Kerstin Warnke für ihre Fischzüge auf dem Forschungsschiff Taliarte Gastrecht gewährt. Nach dem Untergang der Taliarte im Jahr 2003 suchte die Berliner Wissenschaftlerin lange nach einem geeigneten Nachfolge-Objekt. Und profitierte schließlich vom Kontakt des FU-Professors Helmut Keupp zu dessen Bremer Kollegen Professor Gerold Wefer aus dem Fachbereich Geowissenschaften (Universität Bremen). Ein Volltreffer, wie sich schnell herausstellte. Denn auf dem zweitgrößten Forschungsschiff Deutschlands, der Meteor, war noch ein Platz frei.

Das Forschungsschiff Meteor ist mehr als 97 Meter lang, 16,50 Meter breit, hat eine Verdrängung von 4780 Tonnen und eine Reisegeschwindigkeit von 11,5 Knoten. Das 19 Jahre alte, in Travemünde gebaute Prachtstück ist voll klimatisiert und hat Platz für 33 Seemänner und 30 Wissenschaftler. 20 Laborräume mit insgesamt rund 400 Quadratmetern Fläche sorgen für ideale Bedingungen, Netze können über 17 Winden in die Tiefe gelassen werden.

Die eigentliche Bestimmung dieser Fahrt war der Test eines neuen Bohrgeräts für die marinen Geowissenschaften in Bremen. Dennoch blieb für Kerstin Warnke genug Zeit zum Fischen. Was die Basis schuf für noch mehr Arbeit. Denn Auswertung, DNA-Analyse und die Beobachtung der Embryonalentwicklung in der FU Berlin werden einige Zeit in Anspruch nehmen. Und erst dann wäre bei gutem Verlauf etwas Licht ins Dunkel der Vergangenheit gebracht, etwas mehr Wissen über die ehemaligen Herrscher der Weltmeere vorhanden.

von Micha Bustian

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Kerstin Warnke, Fachrichtung Paläontologie der Freien Universität Berlin, Tel: 030 / 838-70282, E-Mail: Warnke@zedat.fu-berlin.de

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