Wie machen Androgene den Mann zum Mann?

Publikation von Wissenschaftler-Team der Universitäten Gießen und Jena in US-Fachblatt Molecular Endocrinology

Männliche Sexualhormone, die so genannten Androgene, haben zahlreiche Wirkungen auf den sich entwickelnden Embryo wie auf den jugendlichen und erwachsenen Mann. Eines ihrer Zielorgane ist die Prostata, deren Entwicklung, Wachstum und Funktion androgenabhängig ist. Androgene gelangen ohne weitere Hilfsmittel in die Zellen der Prostata und binden dort an den Androgenrezptor, der daraufhin Gene einschaltet, die ein Androgen-Steuerelement (ARE) besitzen. Dass es auch ganz ohne ARE geht, haben jetzt Wissenschaftler der Universitäten Gießen und Jena herausgefunden. Denn im Gen für das Prostataprotein SCGB 2A1 fanden sie ein Element, das die Androgenwirkung zwar vermittelt, aber kein ARE ist und vom Androgenrezeptor auch nicht direkt erkannt wird.

Bereits Ende der 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde ein Zwei-Stufen-Modell zur Sexual- oder allgemeiner Steroidhormonwirkung eingeführt, das so überzeugend war, dass es drei Jahrzehnte nahezu unverändert Bestand hatte. Im ersten Schritt diffundieren dabei Steroidhormone durch die Zellmembran und binden im Zellinneren an für jedes Hormon spezifische Rezeptoren. In einem zweiten Schritt wird der Steroidhormonrezeptor-Hormon-Komplex aktiviert und bindet dann an ein charakteristisches Steuerelement in Zielgenen, das meist von mehreren Rezeptoren erkannt werden kann. Dort wirken die Rezeptoren als so genannte Transkriptionsfaktoren, die dafür sorgen, dass das betreffende Gen abgelesen und der vom Gen kodierte Eiweißstoff hergestellt, also exprimiert wird.

In den vergangenen Jahren wurde jedoch immer deutlicher, dass dieses vergleichsweise einfache Modell ergänzt werden muss. So erfolgt die Aktivierung eines Gens nicht direkt über den Rezeptor allein, sondern erfordert ein Spektrum von Ko-Aktivatoren und Ko-Repressoren. Darüber hinaus wurde deutlich, dass Steroidhormonrezeptoren nicht nur über Bindung an ihre Steuerelemente in Genen wirken können, sondern auch mit anderen Signalketten wechselwirken.

Ein Team von Wissenschaftlern aus dem Institut für Anatomie und Zellbiologie in Gießen und dem Institut für Humangenetik und Anthropologie in Jena hat nun im US-Fachblatt Molecular Endocrinology eine weitere Ergänzung zum bestehenden Hormonwirkungsmodell hinzugefügt. Im Gen für das Prostataprotein SCGB 2A1 wurde ein Steuerelement gefunden, das für die Androgenwirkung verantwortlich ist, an das der Androgenrezeptor aber nicht binden kann. Stattdessen binden dort die Transkriptionsfaktoren Sp1 und Sp3, die allgegenwärtig und bei der Expression sehr vieler Gene beteiligt sind. Dieses besondere Steuerlement ist zudem spezifisch für Androgene, wogegen ein gewöhnliches Androgensteuerelement auch auf Glukokortikoide wie Cortisol anspricht. Mit modernen Chromatin-Immun-Fällungsexperimenten, die von der neuen Jenaer Arbeitsgruppe noch im Institut für Genetik in Gießen durchgeführt wurden, konnte weiterhin gezeigt werden, dass der Androgenrezeptor sich in der lebenden Zelle dennoch in der Nähe des SCGB 2A1-Gens aufhält und seine Wirkung offenbar über die Transkriptionsfaktoren Sp1/Sp3 ausübt. Denn wird die Bindung von Sp1/Sp3 verhindert, so geht auch die Androgenwirkung verloren.

Weitere Experimente sollen nun zeigen, wie die Androgenwirkung über Sp-Transkriptionsfaktoren genau funktioniert und ob dieser Mechanismus bei weiteren Genen eine Rolle spielt. Sollte dies der Fall sein, so ergeben sich womöglich neue Angriffspunkte für eine therapeutische Intervention beim androgenabhängigen Prostatakrebs.

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Christel Lauterbach idw

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