Protein-Bäumchen

Verzweigtes Molekül als Träger für mehrere Proteine – Wege zur Herstellung multivalenter Pharmaka

Die Erkennung zwischen Molekülen spielt eine wichtige Rolle bei biologischen Prozessen. Diese läuft im Allgemeinen über nur recht schwache Wechselwirkungen zwischen einzelnen Molekülteilen. Dennoch beobachtet man zuweilen ausgesprochen starke Bindungen, beispielsweise zwischen Antikörpern und ihren Antigenen. Ein Grund scheint darin zu liegen, dass Antigene mehrere Bindungsstellen tragen können, an die dann mehrere Bindungsstellen auf dem Antikörper gleichzeitig andocken. Dabei zeigt sich wieder einmal, dass das Ganze mehr sein kann als die Summe seiner Teile: Die multiplen Wechselwirkungen sind stärker als den jeweiligen einzelnen Bindungen entspräche, gleichzeitig ist die Spezifität der molekularen Erkennung höher. Dieses als Multivalenz bezeichnete Phänomen will man bei der Entwicklung von Wirkstoffen und spezifischen Markern für bildgebende Verfahren nutzen. „Die Idee besteht darin, mehrere pharmakologisch wirksame Peptide oder Proteine an ein Gerüst zu knüpfen und dem Zielmolekül auf diese Weise multiple Bindungsstellen zu präsentieren, um die Selektivität und Stärke der Bindung zu erhöhen,“ erklärt E. W. „Bert“ Meijer.

Meijer und sein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Eindhoven, Utrecht und Maastricht wählten Dendrimere als Gerüstmoleküle. Dendrimere sind kugelige, kaskadenförmig verästelte, hoch symmetrisch aufgebaute Moleküle. Wie bei einer Baumkrone gehen von einem zentralen Stamm Äste ab, die sich immer weiter verzweigen. Es galt also für die niederländischen Forscher, Dendrimere herzustellen, an deren „Zweigspitzen“ Proteine angeknüpft sind. Kein leichtes Unterfangen.

Die Forscher fanden jedoch eine allgemein anwendbare Strategie: Die so genannte „Native Chemical Ligation“, eine Methode, mit der sich sonst Proteinfragmente selektiv und spontan so verknüpfen lassen, dass „natürliche“ Peptidbindungen entstehen. Damit das auch bei den Dendrimeren klappt, müssen deren Zweigspitzen mit speziellen funktionellen Gruppe ausgestattet werden. Den Proteinen oder Peptidketten wird das entsprechende, für die Reaktion benötigte Gegenstück angehängt.

Lässt man einen Überschuss an Dendrimer mit einer geringen Menge an Protein reagieren, entstehen Dendrimere, die genau ein Proteinmolekül tragen. Nun können weitere Zweigenden mit Proteinen besetzt werden – entweder mit der selben Sorte oder auch mit einer anderen Art von Protein. Die Anzahl der anknüpfbaren Proteine hängt von deren Größe und Gestalt und natürlich der Anzahl der Zweigenden des Dendrimers ab. „Unsere Methode eröffnet den Zugang zu einer breiten Palette genau definierter multivalenter Peptide und Proteine,“ sagt Meijer. „So sind systematische Untersuchungen multivalenter biologischer Wechselwirkungen möglich.“

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Weitere Informationen:

http://www.angewandte.de.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer