Mukoviszidose: Von der Genmutation zum Lungenleiden

Neues Tiermodell erlaubt erstmals Studien zu Krankheitsentstehung und möglichen Therapien / Erfolgreiche Forschung wird am Universitätsklinikum Heidelberg mit 1,37 Millionen Euro gefördert

Mit einem neuen Mausmodell ist es jetzt erstmals möglich, am lebenden Organismus Studien zu Entstehung und Krankheitsverlauf von Mukoviszidose, auch Zystische Fibrose genannt, durchzuführen. Das Tiermodell soll auch dazu beitragen, mögliche Therapieansätze für die unheilbare Atemwegserkrankung zu entwickeln.

Das Projekt von Dr. Marcus Mall, Arzt und Wissenschaftler an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg, wird mit rund 1,37 Millionen Euro über einen Zeitraum von vier Jahren von einem Förderprogramm der Europäischen Union, den so genannten Marie Curie Excellence Grants, unterstützt. Dr. Marcus Mall, der das Mausmodell in den USA entwickelt hatte, führt seit Mai 2005 seine wissenschaftliche Arbeit als Leiter der neuen Forschungsgruppe „Zystische Fibrose/Chronische Atemwegserkrankungen“ in der Abteilung von Professor Dr. Andreas Kulozik fort.

Fehlerhaftes Gen führt zu gestörter Atmung und Verdauung

In Deutschland leben rund 8.000 Menschen mit der Erbkrankheit Mukoviszidose. Fünf Prozent der Bevölkerung, also rund vier Millionen Menschen, sind gesunde Merkmalsträger, die diese Erkrankung weitervererben können – meist ohne es zu wissen.

Bei der Mukosviszidose führt ein fehlerhaftes Gen dazu, dass die Salz- und Flüssigkeitszusammensetzung von Sekreten in Lunge und Darm, aber auch in anderen Organen (z.B. in der Leber) verändert wird. Der zähe Schleim verklumpt und kann nicht abtransportiert werden. Schwere Störungen von Atmung und Verdauung sind die Folge. Dank Krankengymnastik, Inhalationen und Medikamenten hat sich die Prognose der Betroffenen in den letzten Jahren erheblich verbessert. 80 Prozent der Erkrankten erreichen mindestens das 19. Lebensjahr.

Mäuse mit veränderten Zellkanälen entwickeln Lungenentzündung

Bisher war nicht genau bekannt, wie die Mutation im so genannten CFTR-Gen („Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator“-Gen) den Salz- und Wassertransport in den Organen beeinflusst. Mit Hilfe des neuen Mausmodells gelang es Dr. Marcus Mall, den direkten Zusammenhang zwischen fehlerhaftem Gen und Krankheitsentstehung nachzuweisen: Bestimmte Kanäle in den Zelloberflächen spielen eine Schlüsselrolle. Sie transportieren Natrium-Ionen und kontrollieren damit den Salz- und Flüssigkeitsgehalt von Zellen und Sekreten in den Atemwegen. Mäuse, deren Natrium-Kanäle verändert waren, entwickelten die Mukoviszidose-typische Lungenentzündung.

„Mit weiteren Studien wollen wir die Krankheitsentstehung noch genauer verstehen und neue Angriffspunkte für mögliche Therapien aufdecken“, erklärt Dr. Marcus Mall. Die Ergebnisse sollen außerdem dazu beitragen, Mukoviszidose bei betroffenen Kindern früher festzustellen und den Krankheitsverlauf abhängig von der Genveränderung besser vorhersagen zu können. „Je früher spezifische Therapiemöglichkeiten bei den Patienten angewendet werden, desto höher ist die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen.“

Aufbau der Arbeitsgruppe in Heidelberg wird mit weiteren Fördergeldern unterstützt

Der junge Mediziner mit den Schwerpunkten Kinderpneumologie und Mukoviszidose arbeitet seit August 2004 an der Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin Heidelberg. „Ich habe mich bewusst für Heidelberg entschieden, da ich hier sowohl als Arzt als auch als Wissenschaftler in einem hervorragenden Umfeld arbeiten kann“, begründet Dr. Marcus Mall seine Entscheidung. „Mit Hilfe der EU-Förderung kann ich hier eine unabhängige Arbeitsgruppe aufbauen.“ Damit hat das Programm sein Ziel, junge Spitzenkräfte aus dem Ausland nach Europa zu holen und hier zu unterstützen, erreicht.

Die erfolgreichen Arbeiten von Dr. Marcus Mall wurden von der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e.V. mit dem mit 5.000 Euro dotierten Johannes Wenner-Preis 2005 ausgezeichnet und werden – neben dem Marie Curie Excellence Grant – auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der North American Cystic Fibrosis Foundation (CFF) und der Mukosviszidose e.V. gefördert.

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Dr. Annette Tuffs idw

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