240.000-faches Erdmagnetfeld: Neue Spürnase für unbekannte Verbindungen im Umwelt- und Gesundheitsbereich

Das 12 Tesla-Hochauflösungs-Massenspektrometers vom Typ FTICR-MS (Fourier Transform Ion Cyclotron Massenspektrometer) Foto: GSF/IGÖ

Seit wenigen Tagen ist das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit stolzer Besitzer des ersten europäischen 12 Tesla-Hochauflösungs-Massenspektrometers vom Typ FTICR-MS (Fourier Transform Ion Cyclotron Massenspektrometer). „Mit diesem neuen Großgerät wird die GSF ihre Spitzenstellung in der europäischen Forschung zur Analytik neuer unbekannter Verbindungen in den Bereichen Umwelt und Gesundheit weiter ausbauen“, so Philippe Schmitt-Kopplin, Arbeitsgruppenleiter am GSF-Institut für Ökologische Chemie, der mit seinem Team das neue FTICR-MS-Spektrometer in Empfang nahm.


Mit einer gigantischen Magnetfeldstärke von 12 Tesla (dies entspricht dem 240.000-fachen der Stärke des Erdmagnetfeldes), einem Magnetdurchmesser von eineinhalb Metern und stolzen dreieinhalb Tonnen Gewicht beeindruckt das FTICR-MS schon allein durch seine äußere Erscheinung. Viel mehr noch überzeugt es Fachkundige aber durch sein extrem hohes Massenauflösungsvermögen, seine hervorragende Massengenauigkeit sowie die Fähigkeit zur Kombination mit verschiedenen, mehrstufigen Fragmentierungstechniken. Dies hat gegenüber konventioneller Massenspektrometrie einen entscheidenden Vorteil: Gerade für die Untersuchung komplexer Gemische aus der natürlichen Umwelt wird ein sehr viel genauerer Blick auf Einzelfragen wie beispielsweise die Bestimmung von Summenformeln tausender Komponenten, möglich.

Weltweit sind bislang nur vier Massenspektrometer dieser Magnetgröße im Einsatz, zwei in den USA und zwei in Japan; diese kommen überwiegend in der Proteomforschung zur Anwendung. Schmitt-Kopplin und seine Teamkollegen haben mit ihrem Gerät zusätzliche Pläne: „In der GSF wollen wir das FTICR-MS mit Schwerpunkt auf die Analytik umweltrelevanter Prozesse in Bezug zur Gesundheit des Menschen einsetzen, wie sie in einmaliger Weise interdisziplinär in der GSF bearbeitet werden können“, so der Arbeitsgruppenleiter. Der Fokus soll dabei vor allem auf dem Identifizieren bislang noch unbekannter Verbindungen und Metaboliten liegen. Hierfür sind bereits Kooperationen zwischen verschiedenen GSF-Instituten, mit anderen Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft sowie auf internationaler Ebene auf den Weg gebracht.

Das Funktionsprinzip des FTICR-MS ist bestechend einfach: Während die Ionen in der konventionellen Massenspektrometrie generell eher kurze Wege bis zur Detektion zurücklegen, können mittels FTICR-MS die Ionen in Kreisbahnen gehalten und deren Massen hochgenau aus Umlauf-Frequenzen ermittelt werden. Auf analoge Weise gelingt zudem die Analyse von Ion-Molekülreaktionen.

Erster Gegenstand der Ermittlungen sollen für die neue Spürnase die mikrobiellen und pflanzlichen Signalstoffe sowie Metaboliten in der Wurzelzone sein. Auch sollen Biomarker, die mit Krankheitsbildern assoziiert sind, identifiziert werden. Auf lange Sicht, so die Zukunftsvision der Arbeitsgruppe um Schmitt-Kopplin, soll die Untersuchung von natürlichen organischen Substanzen aus Böden, Gewässern, marinen Systemen und Grundwässern mittels ultrahochauflösender FTICR Massenspektrometrie auf eine qualitativ völlig neue Ebene angehoben werden.

Die Ideen der GSF-Wissenschaftler gehen aber noch deutlich weiter: „Im Prinzip könnte man auf lange Sicht alle natürlichen Materialien, deren genaue Identifizierung oder Herkunftsbestimmung bislang nicht oder nur ansatzweise möglich war, endlich mehr im Detail analysieren“, so Norbert Hertkorn, Analytiker und NMR-Spezialist am Institut für Ökologische Chemie. Derzeit geprüfte Anwendungen liegen zum Beispiel in der Aufklärung unbekannter organischen Verbindungen und gegebenenfalls auch von Biomarkern in Aerosolen der Außen- und Innenluft, in Proben aus der Paläogenetik, der Lebensmittelqualität, der Forensik oder der Restauration alter Gemälde und Skripten.

Gerade im Einsatz für so wertvolles Probenmaterial hebt sich das FTICR-MS noch durch eine weitere exklusive Eigenschaft aus der Masse konventioneller Analysegeräte hervor: Mit seiner extremen Genauigkeit, der außerordentlichen Empfindlichkeit und mit der Arbeitsgruppen-Expertise hinsichtlich der Kopplung zu Kapillartrennverfahren, kann das Gerät selbst aus kleinsten Probenmengen in komplexen Gemischen die volle Bandbreite analytischen Datenmaterials herauszaubern.

Angesichts der herausragenden Möglichkeiten, qualitativ völlig neuartige Forschungsfelder zu erschließen, wollen die Wissenschaftler – im Sinne des Forschungsauftrages der GSF – wirklich angewandte Grundlagenforschung betreiben und gerade da, wo der Analytik noch Standards fehlen, neue Methoden entwickeln. „Das gesamte Potential dieses Großgerätes lässt sich heute in seinem Ausmaß noch gar nicht abschätzen“, so die Wissenschaftler. „Wir haben eine wunderbare Basis für völlig neue Forschungsansätze bekommen und werden diese mit all ihren Möglichkeiten ausschöpfen“.

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Michael van den Heuvel idw

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