Vom Affen bis zur Zikade

Die Zoologische Lehr- und Studiensammlung am Institut für Biologie II wird wieder eröffnet. Sie umfasst alle Organismengruppen, von den wirbellosen Tieren wie beispielsweise Schwämme, Nesseltiere, verschiedene Gruppen von wurmartigen Tieren, Weichtiere, Krebse, Spinnen und Insekten bis hin zu den Wirbeltieren. Die Präparate stammen aus allen Regionen der Erde.


Zeit: 14. Juli 2005, 14:30 Uhr
Ort: Talstraße 33

Seit 1968/69 konnten die Leipziger Zoologen nur ausgewählte Stücke einer ehemals umfangreichen Zoologischen Sammlung mit in die Vorlesung bringen, wenn sie ihren Studenten eine Tierart möglichst naturnah vorstellen wollten. Anschließend musste es wieder in Schränken und Regalen von Abstellkammern verschwinden. Wertvollste Objekte lagen allerdings achtlos auf dem Dachboden, über deren Wiederentdeckung sich Wissenschaftler und Studenten besonders glücklich waren. „So fanden wir im Jahr 2002 das Typusmaterial von Monorhaphis chuni wieder.“, freut sich noch jetzt Prof. Martin Schlegel, Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Evolution & Systematik der Tiere. “ Dabei handelt es sich um mehrere Dezimeter lange Pfahlnadeln eines Tiefseeschwammes, die aus der Tiefseeexpedition von Carl Chun stammen und die als verschollen galten.“

Carl Chun (1852-1914), der 1898 zum Professor für Zoologie und Direktor der Zoologischen Sammlung der Universität Leipzig berufen wurde, leitete die erste deutsche Tiefsee-Expedition mit der ’’Valdivia’’, die zum Nordatlantik, der Westküste Afrika, der Antarktis, den Kerguelen, nach Sumatra und Ceylon, zum Roten Meer und zum Mittelmeer führte. Dabei beschrieb er viele neue Arten und fand große internationale Beachtung. Sein Präparator Hermanus Hendricus ter Meer aus Leiden führte Ende des 19. Jahrhunderts die Dermoplastik ein. Diese Technik ermöglichte erstmals eine proportionsgerechte und somit lebensecht wirkende Präparation von Wirbeltieren. Trotz vieler internationaler Stellenangebote entschied sich ter Meer 1907 für Leipzig.

Unter der jetzt wieder aufgestellten Zoologischen Sammlung, die vom 1. Zoologieprofessor in Leipzig, Eduard Poeppig, begründet wurde, sind auch einige Stücke ter Meers, z.B. ein Faultier, das in lebensnah wirkender Position an einem Ast hängt. 2500 Präparate umfasst die Sammlung heute; dazu kommt eine umfangreiche Insektensammlung. Das erscheint wenig im Vergleich zu den ehemals 60 000 Stücken, die vor ihrer Auflösung im Zuge der 3. Hochschulreform zur Sammlung gehörten. Viele von ihnen befinden sich heute im Museum für Naturkunde Berlin, im Museum für Tierkunde Dresden und im Naturkundemuseum Leipzig.

Aber der verbliebene Teil der ehemals berühmten Leipziger Sammlung ist noch immer beeindruckend. Sie umfasst eine Schausammlung im Erdgeschoss und einen Magazinbereich im Dachgeschoss. Die Schausammlung ist in zwei Räumen untergebracht. Ein Raum ist systematisch nach der Klassifizierung der Tiere aufgebaut, von den Schwämmen über die Reptilien bis zu den Säugetieren. Der 2. Raum enthält die heimischen Tiere. „Unsere Studenten sollen ein Gefühl für die Fauna ihrer Heimat bekommen und das, was schützenswert ist.“, erklärt Kustos Dr. Detlef Bernhard. Manches Tier, z.B. die Großtrappe, existiert schon nicht mehr im mitteldeutschen Raum. Noch vor 30 Jahren war sie um Delitzsch herum noch anzutreffen.

Hervorzuheben ist die umfangreiche Insektensammlung, insbesondere von Käfern aber auch Wanzen, Zikaden und Hautflüglern, die von dem Studienrat Dietze aus Leipzig in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts angelegt wurde. Diese Insektensammlung dokumentiert die Fauna des Leipziger Raumes zur damaligen Zeit und stellt somit eine wichtige Grundlage für heutige und zukünftige Untersuchungen zum Vorkommen verschiedener Insektenarten in Sachsen dar.

Mit der Rekonstruktion des Institutsgebäudes Talstr. 33 von 2003 – 2005 wurde auch der gesamte Sammlungsbestand verpackt und eingelagert. Bereits vorher begann eine Auflistung der Sammlungsbestände, da alle früheren Bestandslisten verschollen sind. Jetzt soll noch die komplette Archivierung aller Sammlungsbestände erfolgen. Dadurch soll die Nutzbarkeit der Sammlung für Lehr- und Studienzwecke sowie auch die Bearbeitung von wissenschaftlichen Anfragen zu Sammlungsobjekten verbessert werden.

Last not least: An der Klassifizierungs- und Wiederaufstellungsaktion waren viele Studentinnen und Studenten beteiligt. „Wir hatten einen Aufruf gestartet und mit vereinzelten Zusagen gerechnet, nicht mit einem so überwältigenden Unterstützungsangebot“, resümiert Präparator Ronny Wolf. Ohne sie hätten wir es niemals geschafft, bis zur Eröffnung letzten Monat, die Präparate zu entstauben, hässliche Umbauten zu entfernen, mit großer Sorgfalt neu einzuteilen und zu beschriften!“

weitere Informationen:
Prof. Dr. Martin Schlegel
Telefon: 0341 97-36720
E-Mail: schlegel@uni-leipzig.de

Media Contact

Dr. Bärbel Adams idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-leipzig.de/~agspzoo/

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