Starkes Gift soll heilen

Das Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie nimmt Wirkstoffe gegen Krebs unter die Lupe

Mit mehr als 720.000 Euro fördert die Volkswagenstiftung zwei Projekte, an denen das Berliner Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) beteiligt ist. Die Bewilligungen sind eingebettet in eine größere Förderinititative zur Untersuchung der so genannten molekularen Konformation. Wie die Volkswagenstiftung jüngst mitteilte, stellt sie für zehn neue Vorhaben in diesem Bereich insgesamt rund 4,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Am FMP sind zwei Arbeitsgruppen darin eingebunden. Zum einen die Abteilung NMR-unterstützte Strukturbiologie, zum anderen die Abteilung Peptid-Chemie und -Biochemie. In beiden Projekten mit FMP-Beteiligung geht es um ein grundlegendes Verständnis von Vorgängen auf molekularer Ebene.

So wollen die Forscher in dem einen Vorhaben mit dem Titel „Understanding and exploiting conformational effects on interaction of binding small molecules to the colchicine binding site of tubulin“ die Wechselwirkung von Tubulin mit ganz bestimmten Wirkstoffen besser verstehen. Dieses Vorhaben koordiniert Prof. Hans-Günther Schmalz (Universität Köln). Tubulin ist die Hauptkomponente der Mikrotubuli, die ihrerseits eine wichtige Rolle bei der Organisation der Chromosomen während der Zellteilung spielen. Insbesondere bei der Krebs-Chemotherapie werden deshalb oft Arzneien eingesetzt, welche die im Zuge einer Krebserkrankung oft beschleunigte Zellteilung hemmen. Dies geschieht, indem sie die Polymerisation des Tubulins zu Mikrotubuli beeinflussen.

An die so genannten alpha-, beta-Tubulin-Untereinheiten binden eine Vielzahl kleiner organischer Moleküle, darunter auch das Alkaloid Colchicin – das Gift der Herbstzeitlosen. Es ist eines der ältesten und prominentesten Tubulin-bindenden Moleküle und wird auch bei der Behandlung von akuter Gicht und mediterranem Fieber eingesetzt; es ist allerdings sehr giftig. Eine andere, 1996 entdeckte Gruppe von Antikrebs-Wirkstoffen sind die ebenfalls zytotoxischen Epothilone, die sich zurzeit in der klinischen Erprobung befinden.

Ziel des Vorhabens ist es, die Wechselwirkung von Tubulin mit Colchicinoiden und vergleichbaren Wirkstoffen auf molekularer Ebene besser zu verstehen. Dazu werden die Wissenschaftler aus Köln und Berlin neue Colchicin-Analoga und andere Tubulin-bindende Moleküle mit Hilfe moderner Methoden synthetisieren oder aus Substanzbibliotheken herausfiltern, um sie anschließend einer Vielzahl biochemischer und biologischer Untersuchungen zu unterziehen. Ausgewählte Verbindungen sollen mittels röntgenkristallographischer und Hochfeld-NMR-Techniken genauer analysiert werden. Die NMR-Studien und das Screening finden am FMP statt. Hier gibt es enorm leistungsfähige Geräte zur NMR-Spektroskopie (auch Kernspinresonanz-Spektroskopie genannt).

Am Ende könnte das Projekt zu einem wesentlich detaillierteren Verständnis der strukturellen Ereignisse und der biologischen Auswirkungen führen, die mit der Bindung kleiner Moleküle an die Colchicin-Bindungsstelle des Tubulins einhergehen – und damit die Voraussetzung schaffen für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die die Zellteilung hemmen.

Das Vorhaben „Understanding and exploiting conformational effects on interaction of binding small molecules to the colchicine binding site of tubulin“ wird koordiniert von Professor Dr. Hans-Günther Schmalz vom Institut für Organische Chemie der Universität Köln; Professor Dr. Hartmut Oschkinat, Abteilung NMR-unterstützte Strukturbiologie am Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin, und Dr. Dr. Aram Prokop, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie/Hämatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Media Contact

Josef Zens idw

Weitere Informationen:

http://www.fmp-berlin.de

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