Anammox-Bakterien entfernen Stickstoff aus Ozean

Fluoreszenz-Mikroskopie der Anammox-Bakterien. Rechts die spezifisch angefärbten Anammox-Bakterien, links erkennt man alle Mikroorganismen in der Probe. Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Stickstoffverbindungen sind der Dünger, der die Wachstumsgeschwindigkeit der Pflanzen mit kontrolliert, und dadurch die Grundlage für alle Lebensformen auf der Erde darstellt. Das Meer verliert aber ständig an Stickstoff, weil besondere Bakterien es abbauen und als Stickstoffgas in die Atmosphäre freisetzen. Mit ausgefeilten Analysetechniken konnten Bremer Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie zusammen mit ihren niederländischen Kollegen von der Universität Nijmegen jetzt vor der Küste Namibias einem bisher ungeklärten Phänomen im Stickstoffhaushalt des Meers auf die Spur.

In den sauerstoffarmen Gebieten des Ozeans ist ein mikrobieller Prozess am laufen, der für 30 bis 50% der globalen Verluste an stickstoffhaltigen Nährstoffen aus dem Meer verantwortlich ist.

In der neuesten Ausgabe des hoch angesehen Fachblatts Proceeding of the National Academy of Science (PNAS) erklären sie, dass dieser Prozess nicht wie lange angenommen über die Denitrifikation abläuft, sondern überraschenderweise unter Ausschluß von Sauerstoff mit Hilfe von Anammox-Bakterien geregelt wird. Die vor Namibia jetzt entdeckten Bakterien sind den Forschern keine Unbekannten. Kuypers und seine Kollegen wiesen sie schon 2003 im Schwarzen Meer nach, jetzt wurden sie auch im Ozean fündig.

Vor Namibias Küste sorgt der Benguela-Strom durch sein Auftriebssystem für Nachschub von Nährstoffen, die für einen reich gedeckten Tisch sorgen. Hier bedienen sich nicht nur die kleinen Fische, auch große Wale kommen hierher. Die Anammox-Bakterien entfernen einen Großteil des Ammoniums aus dieser Nahrungskette, das dabei freiwerdende Stickstoffgas entweicht in die Atmosphäre und nur ein geringer Bruchteil davon kann von Cyanobakterien und Algen wieder eingefangen und wieder ins System eingeschleust werden.

Die Forscher fuhren eine ganze Batterie an Analysemethoden auf, um dieses Puzzle zu lösen. Mit einer einzigartigen Kombination von mikrobiologischen Techniken wie hochauflösenden Nährstoff- und Lipidprofilen, isotopenmarkierten Fütterungsexperimenten und molekularbiologischen Techniken wie Fluoreszenzmikroskopie gelang es ihnen nachzuweisen, dass diese Bakterien in den sauerstoffarmen Zonen in 100 Meter Wassertiefe für die Beseitigung von diesem Nährstoff verantwortlich sind.

Diese Entdeckung hat weitreichende Konsequenzen für das wissenschaftliche Verständnis des Stickstoffkreislaufs. Die mathematischen Modelle, die die globale Stickstoffbilanz beschreiben, müssen jetzt revidiert werden, denn dieses neu entdeckte „Leck“ hat direkten Einfluss auf die Berechnung des Kohlenstoffkreislaufs und damit auf langfristige Klimaabschätzungen.

Denitrifikation

Die Ergebnisse widerlegen die bisherigen Vermutungen, dass die sogenannte Denitrifikation (Umsetzung von Nitrat über Nitrit mithilfe von organischer Materie und Bakterien zu Stickstoffgas) für die Freisetzung von Stickstoff alleine verantwortlich ist.

Neue Spezies

Die Anammox-Bakterien aus dem Atlantik sind nahe Verwandte der Spezies aus dem Schwarzen Meer (Kuypers et al, Nature, 8 April 2003). Sie enthalten ebenfalls die einzigartigen leiterförmigen Moleküle (Ladderane), die in der Membran einer Organelle über Ätherbrücken verankert sind und diese so stabilisieren. Hier läuft die Umsetzung von Ammonium zu Stickstoffgas ab. Ähnliche Strukturen kannte man bisher nur bei den „Urbakterien“, den Archaeen.

Abwasserreinigung in Kläranlagen

Der Anammox-Prozess ist nicht nur von akademischem Interesse, sondern bietet eine vielversprechende Alternative zu der klassischen Methode in Kläranlagen, Stickstoffverbindungen zu entfernen. Die Kosten reduzieren sich auf ca. 10% und gleichzeitig verringert sich der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 88%. In Rotterdam setzte man diese Erkenntnisse jetzt um und nahm die weltweit erste auf Anammox-basierende Großkläranlage in Betrieb.

Titel der Publikation

Massive nitrogen loss from the Benguela upwelling system through anaerobic ammonium oxidation

Marcel M.M. Kuypers*, Gaute Lavik*, Dagmar Woebken*, Markus Schmid, Bernhard M. Fuchs*, Rudolf Amann*, Bo Barker Jørgensen* & Mike S.M. Jetten *Max-Planck-Institute for Marine Microbiology, Celsiusstraße 1, 28359 Bremen, Germany Department of Microbiology, IWWR Radboud University Nijmegen, Toernooiveld 1, 6525 ED Nijmegen, The Netherlands

Weitere Information

Dr. Marcel Kuypers, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie Tel. +49 421 2028634 (E-mail : mkuypers@mpi-bremen.de) oder

Prof. Dr. ir. Mike Jetten, Afdeling Microbiologie KU Nijmegen, Tel. 06-24703662 of 024 365 2941 (e mail: m.jetten@science.ru.nl).

Pressesprecher
Dr. Manfred Schlösser, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie Tel. +49 421 2028704 (E-mail : mschloes@mpi-bremen.de)

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Dr. Manfred Schloesser idw

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