Uraltes Protein aus Knochen

Der Schädel des 75.000 Jahre alten Neandertalers aus der irakischen Shanidar Höhle. Bild: Erik Trinkaus

Max-Planck-Wissenschaftler entschlüsseln die Bausteinkette des bisher ältesten fossilen Proteins aus den Knochen eines Neandertalers

Einem internationalen Team unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie ist es erstmals gelungen, aus den Knochen eines ca. 75.000 Jahre alten Neandertalers ein Protein heraus zu lösen und es anschließend zu sequenzieren, d.h. seine Aminosäuresequenz zu bestimmen. In ihrer Online-Publikation in PNAS (7. März 2005) sprechen die Wissenschaftler vom ältesten fossilen Protein, das jemals entschlüsselt wurde. Ähnlich wie DNA-Sequenzen können auch Aminosäuresequenzen Informationen über die genetische Verwandtschaft zwischen ausgestorbenen und lebenden Arten liefern. Diese neu entwickelte Methode eröffnet daher eine Möglichkeit, diese Beziehungen auch bei viel älteren Fossilien, die keine DNA mehr enthalten, zu bestimmen.

Der Knochenfund des Neandertalers stammt aus der irakischen Shanidar Höhle. Die Wissenschaftler der Abteilung Humanevolution des Leipziger Max-Planck-Instituts haben die Sequenz des in den Neandertaler-Knochen enthaltenen Proteins Osteocalcin mit den Osteocalcin-Sequenzen lebender Primaten (Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans) verglichen. Das Forscherteam fand heraus, dass die Neandertalersequenz tatsächlich der des modernen Menschen entspricht. Allerdings unterscheiden sich die Sequenzen von Neandertalern, Menschen, Schimpansen und Orang-Utans markant von denen der Gorillas und der meisten anderen Säugetiere: Auf Abschnitt neun des Proteins ist die Aminosäure Hydroxyprolin nämlich durch Prolin ersetzt worden.

„Möglicherweise ist dies eine Folge der Ernährung“, vermutet Christina Nielsen-Marsh. „Das zur Bildung von Hydroxyprolin benötigte Vitamin C ist in der Nahrung von Pflanzenfressern wie den Gorillas reichlich vorhanden, während es bei den Allesfressern unter den Primaten, wie z.B. Menschen, Neandertalern, Orang-Utans und Schimpansen, fehlen kann.“ Daher könnte die Fähigkeit, Proteine ohne das Vorhandensein von Vitamin C zu bilden, einen Vorteil für die Primaten dargestellt haben, die diesen Nährstoff entweder selten oder gar nicht auf ihrem Speiseplan hatten.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen haben die Forscher erstmals eine Methode etabliert, um Proteine aus Fossilien (z.B. frühere Menschen) extrahieren und sequenzieren zu können – bisher wurde nur „alte“ DNA untersucht. Das eröffnet die neue und faszinierende Möglichkeit, die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ausgestorbenen und lebenden Arten zu bestimmen und auch phylogenetische, also stammesgeschichtliche, Zusammenhänge besser zu verstehen.

Media Contact

Dr. C. M. Nielsen-Marsh Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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