Das neue Gesicht von Nukleinsäuren: Alarmsignal für das Immunsystem

Die beiden Münchner Wissenschaftler und Mediziner Gunther Hartmann und sein Mitarbeiter Veit Hornung am Klinikum der Universität München (Abteilung Klinische Pharmakologie, Leitung Prof. Dr. med. Stefan Endres) berichten in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Medicine über eine bislang nicht bekannte Eigenschaft des Immunsystems, mit der die Forscher den Weg bereiten für die Entwicklung von neuartigen Wirkstoffen für die Therapie von Erkrankungen.

Es geht dabei um eine bestimmte Form von kurzen Nukleinsäure-Stückchen, sogenannte kurze interferierende Ribonukleinsäure (short interfering RNA, siR-NA). Diese Form von Nukleinsäure-Stückchen wird seit kurzem eingesetzt, um die Bildung beliebig wählbarer Proteine in der Zelle ganz gezielt abzuschalten (sogenannte RNA-Interferenz). Diese Technik hat die Möglichkeiten zur Entschlüsselung des menschlichen Erbguts revolutioniert. Hartmann, Hornung und weitere Kollegen der Universität München und der Biotechnologie-Firma Alnylam Pharmaceuticals Inc. in Cambridge, Massachusetts, USA, gelang es nun, die Interaktion solcher Nukleinsäure-Stückchen mit dem Immunsystem aufzuklären. Die bisher vorherrschende Meinung war, dass diese speziellen Nukleinsäure-Stückchen zu klein sind, um durch das Immunsystem erkannt zu werden; sie würden daher nicht zu einer Aktivierung des Immunsystems führen. Von Hartmann und Kollegen hingegen wurde jetzt eine hochspezialisierte Zelle des Immunsystems identifiziert, die tatsächlich in der Lage ist, diese Form von kurzen Nukleinsäure-Stückchen sehr effektiv zu erkennen.

Es handelt sich dabei um die sogenannte plasmazytoide dendritische Zelle, diejenige Zelle im Immunsystem, die ganz spezifisch Viren erkennt und das Immunsystem daraufhin über die Aus-schüttung von Interferon (Interferon-alpha) in einen Alarmzustand versetzt.

Die Münchner haben entdeckt, dass die Erkennung solcher Nukleinsäure-Stückchen durch das Immunsystem von der Sequenzabfolge der Nukleinsäure abhängt, und über einen auf diese Erkennung spezialisierten Rezeptor erfolgt, den sogenannten Toll-ähnlichen-Rezeptor 7 (Toll-like receptor 7; TLR7). Es wurden bestimmte Sequenzmotive identifiziert, die das Immunsystem dabei in einen besonders effektiven Alarmzustand versetzen, wie dies bei einer tatsächlich vorliegenden Virusinfektion der Fall ist. Die Befunde haben drei wichtige Konsequenzen:

  • Damit ist ein neuer Mechanismus aufgeklärt, über den das Immunsystem Nukleinsäuren, wie sie in Viren vorkommen, erkennt und sich gegen Viren zur Wehr setzt.
  • Beim therapeutischen Einsatz der Nukleinsäure-Stückchen zur gezielten Hemmung von krankmachenden Proteinen kann ganz gezielt die immunologische Aktivität aus diesen Moleküle eliminiert oder als zusätzliche Wirkkomponente in diese eingesetzt werden.
  • Es können nun Nukleinsäure-Stückchen generiert werden, mit denen das Immunsystem ausschließlich und gezielt gegen Virusinfektionen gesteuert werden kann, und, da hier das gleiche immunologische Prinzip benötigt wird, auch gegen Tumoren.

Media Contact

S. Nicole Bongard idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer