Fruchtfliegen lieben anders

Modell für Forschung in der Fortpflanzungsbiologie: Bei der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) löst das Männchen durch "Sexpeptide" beim Weibchen Begattungsreaktionen aus. Bild: Internet

Männliche Fruchtfliegen übertragen beim Geschlechtsverkehr nicht nur Spermien, sondern auch den Wirkstoff „Sexpeptid“, der das Fortpflanzungsverhalten der Weibchen verändert. Fortpflanzungsbiologen der Universität Zürich haben die Übertragung des Wirkstoffs genauer untersucht. Ihre Ergebnisse werden heute in der Zeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht. Die Wirkungen von Sexpeptid finden sich nicht nur bei Fruchtfliegen, sondern in ähnlicher Form bei praktisch allen höheren Insekten. Deshalb könnten sich in Zukunft auch praktische Anwendungen bei Landwirtschaftsschädlingen und Krankheitsüberträgern (Malaria, Schlafkrankheit usw.) ergeben.


Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster ) werden 50 bis 60 Tage alt. Ein Weibchen hat in dieser Zeit vier bis fünf Geschlechtspartner. Ungefragt wird ihm dabei von den Männchen neben Sperma auch ein Wirkstoff mitgeliefert, der dazu führt, dass die Produktion von Eizellen angekurbelt wird und das Interesse an Geschlechtsverkehr mit anderen Männchen sinkt.

„Sexpeptid“ nennen die Wissenschaftler das kleine Protein, das diese wundersame Wirkung zu erzielen vermag. Entdeckt wurde es in den 1970er Jahren von Professsor Eric Kubli von der Abteilung Reproduktionsbiologie am Zoologischen Institut der Universität Zürich. Es zeigte sich, dass die Wirkungen von Sexpeptid nicht nur bei Fruchtfliegen, sondern in ähnlicher Form bei praktisch allen höheren Insekten zu finden sind.

Nicht zuletzt weil die Fortpflanzungsbiologie von Insekten auch von praktischem Interesse ist – Insekten übertragen Krankheiten (Schlafkrankheit, Malaria usw.) und richten Schäden in der Landwirtschaft an – wurde das Sexpeptid weiter untersucht. Dabei spielten vor allem evolutionsbiologische Fragen eine grosse Rolle.

Professor Eric Kubli: „Nichts in der Biologie macht Sinn, wenn es nicht im Lichte der Evolution betrachtet wird.“ Die Wirkungen von Sexpeptid machen diesbezüglich durchaus Sinn: Es ist ökonomisch, dass die Weibchen vor allem dann Eier produzieren, wenn Spermien verfügbar sind und es ist im Interesse des Weibchens, nach der Begattung in den Nachwuchs zu investieren, anstatt weitere Kopulationen zu haben. Für die Männchen sieht es in diesem Punkt etwas anders aus: sie möchten möglichst viele Weibchen begatten.

Sozusagen als Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen hält die Wirkung des Sexpeptids nur rund eine Woche an, dann wird das Protein in der Hämolymphe, dem Blut der Insekten, abgebaut und die Weibchen verhalten sich wieder „jungfräulich“.
In Experimenten zeigte sich zudem: Sofern zwar Sexpeptid, nicht aber gleichzeigtig auch Sperma anwesend ist, hält die Wirkung nur ein bis zwei Tage an. Dies führte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Zoologischen Institut zur Hypothese, dass Sexpeptid an Spermien gebunden übertragen wird.

Diese Hypothese konnte nun bestätigt und diese Bindung auch näher beschrieben werden. Dabei zeigte sich, dass Sexpeptid-Protein aus einem Teil besteht, der effektiv für die beobachteten Reaktionen verantwortlich ist (funktioneller Teil= C-Term) und dem ans Spermium bindenden Teil (N-Term).

Sexpeptid bindet sich in erster Linie an den Schwanz der Spermien. Der funktionelle Teil wird abgespalten und geht in die Hämolyphe über, um in den „Zielorganen“ seine Wirkung zu entfalten. Der C-Term verbleibt im Spermium und verhindert dort eine weitere Bindung von Sexpeptid.

Die Bindung an Spermien hat für die Männchen den Vorteil, dass das Sexpeptid länger im Genitaltrakt der Weibchen verbleibt, wo es weniger schnell abgebaut wird als in der Hämolymphe.

Mit dem Nachweis der Bindung an die Schwänze der Spermien kann möglicherweise ein weiteres Phänomen erklärt werden: Die Spermien bei Drosophila melanogaster sind erstaunlicherweise in etwa gleich lang wie der gesamte Körper der Tiere, bei anderen Arten von Drosophila ist das Spermium sogar 20 mal länger als der Körper. Warum? Eric Kubli: „Das Sexpeptid ist ein evolutionärer Vorteil für die Männchen. Dessen Wirkung ist umso grösser, je mehr Sexpeptid übertragen werden kann. Da das Sexpeptid an den Schwanz der Spermien bindet, sind lange Spermienschwänze von Vorteil. So entstand ein Selektionsdruck zu langen Spermienschwänzen.“

Die weitere Forschung wird sich unter anderem den Rezeptoren in den Zielorganen des Sexpeptids zuwenden. Allerdings bald ohne Professor Kubli, der Ende August 2005 in Pension gehen wird. Nach 35 Jahren Forschungstätigkeit wird er sich dann vor allem der von ihm mitbegründeten „Schweizerischen Studienstiftung“ widmen: „Es ist aber erfreulich zu sehen, dass unterdessen auch Labors an anderen Universitäten für die Sexpeptide zu interessieren begonnen haben.“

Media Contact

Katharina Furrer idw

Weitere Informationen:

http://www.unizh.ch/

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