Heidelberger Zoologe Namenspatron für neu entdeckte Tierart

Wissenschaftler taufen eine neu entdeckte Spezies auf den Namen „Condyloderes storchi“ – Ausdruck der Wertschätzung an die Adresse von Professor Volker Storch – „Verzwergte“ Tierart mit 1000 Zellen – und doch ein Bestandteil globaler Artenvielfalt

In manchen Regionen ist die unglaubliche Vielfalt des Lebens besonders deutlich spürbar. Natürlich denkt man hierbei vor allem an den tropischen Regenwald oder an die Korallenriffe. Mit auf diese kleine Liste gehört jedoch auf jeden Fall die Tiefsee – denn auch dort ist die Biodiversität extrem hoch, so dass man gerade hier zu Recht von einem Arten-„Reichtum“ sprechen kann. Nichts anderes verbirgt sich übrigens hinter dem Begriff der Biodiversität. Zwar wird diese auch im Hinblick auf die genetische Vielfalt innerhalb einer Population oder den Grad des Artenreichtums in einem bestimmten Habitat verwendet. Jedoch hat es sich in den letzten Jahren zumindest in der öffentlichen Meinung eingebürgert, so auch den gesamten Artenreichtum auf der Erde zu bezeichnen – gerade dann, wenn es um die Bedrohung der Artenvielfalt durch den Menschen und den Klimawandel geht. „Und wie sehr diese Vielfalt bedroht ist, zeigt alleine die Tatsache, dass gegenwärtig mehr Tiere ausgerottet werden, als die Wissenschaft in der selben Zeitspanne zu entdecken in der Lage ist“, betont Prof. Volker Storch von der Heidelberger Fakultät für Biowissenschaften, der kürzlich Namenspate für eine neu entdeckte Tierart war. So tauften langjährige Kollegen eine bislang unbekannte Spezies, die sie im Südatlantik fanden, auf den Namen „Condyloderes storchi“.

In der Namensgebung hat bis heute die durch Carl von Linné eingeführte binäre Nomenklatur Gültigkeit, nach der eine neu entdeckte Tierart nach festgelegter Methodik zu taufen ist. Hierbei verweist der erste Name auf die Gattung, während der zweite die Art angibt – und gerne auf einen Wissenschaftler Bezug nimmt. Zuweilen drücken Forscher in dieser Weise auch ihre Verbundenheit zu Kollegen aus, wie eben jetzt zu Volker Storch, der sich durchaus gerührt zeigte, als er von der Ehre erfuhr.

„Freude. Schlicht und einfach Freude – das war es, was ich im ersten Moment empfand“, betont der Professor für Biologie und Zoologie, für den es keine Rolle spielt, wie groß oder spektakulär die neu entdeckte Tierart letztlich ist. Denn selbst ein eher unscheinbarer Organismus wie Condyloderes storchi hat einen festen Platz im Gesamtensemble des Lebens auf unserem Planeten – auch wenn man sich, wie im Fall des nur etwa einen Millimeter großen Lebewesens, das mit Spul- und Hakenwürmern verwandt ist – gut getarnt in den Sedimenten des Meeresgrundes verbirgt. Dort leben die Kinorhynchen, die zur Klasse der Hohlwürmer zählen. Mit Hilfe ihres mit Haken besetzten Vorderendes kriechen sie umher – und ernähren sich von Kieselalgen und Schlamm.

„Bei Condyloderes storchi handelt es sich um eine verzwergte Tiergruppe – immerhin besteht der Organismus lediglich aus rund 1000 Zellen, so dass meine Kollegen schon sehr genau hinsehen mussten, um die Unterschiede zu bereits bekannten Spezies zu erkennen“, berichtet Volker Storch, der sich früher selbst sehr intensiv mit der Erforschung von Meerestieren beschäftigt hat, und sich in diesen Zusammenhang oft als Gastdozent im Ausland aufhält. „Immer wieder habe ich bei meinen Vorträgen auf die Vielfalt der Meere hingewiesen, die in manchen Ländern bis heute nicht in ihrer vollen Bedeutung erkannt wird“, berichtet der Heidelberger Wissenschaftler. Seit Anfang der 90er Jahre kam indes Bewegung in die Erforschung der Vielfalt des Lebens.

Mit dem „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro 1992 rückte auch der Begriff der Biodiversität in den Fokus der Öffentlichkeit. Immerhin wurde das Konzept der Biodiversität – eine Kurzform für „biological diversity“ – auf dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung (UNCED) erstmals in eine Gesetzesform gebracht. Rund 150 Staaten unterzeichneten damals die „Konvention über die Biologische Vielfalt“, die 1993 völkerrechtlich in Kraft trat, und bis heute von rund 190 Nationen – darunter auch Deutschland – ratifiziert worden ist.

Ein Kernanliegen der Konvention ist dabei die Erforschung der unzähligen Variationen, in denen die Millionen von Tieren – bislang wurden allein über 400 000 Käferarten beschrieben – und Hunderttausende von Pflanzenarten vorkommen. Ein ganzer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Untersuchung dieses Fragenkomplexes, wobei sich nicht nur Ökologen, sondern auch Taxonomen und Systematiker den wohl niemals endenden Beschreibungen neuer Arten und deren Einteilung in verwandtschaftliche Gruppen widmen. Dies dient natürlich längst nicht nur dazu, den Forscherdrang zu stillen. „Es gilt vielmehr die Leitlinie, dass man nur schützen kann, was man auch kennt“, erklärt Volker Storch, der sich vor allem der Evolutionsbiologie, der Vielfalt der Organismen sowie der Biodiversität verschrieben hat.

Die „Biodiversität“ selbst ist dabei eine noch sehr junge Wortschöpfung – und kaum 20 Jahre alt. Erstmals Verwendung fand sie während einer Tagung in Washington DC 1986 (National Forum on Biodiversity). Die Herkunft liegt jedoch im Begriff „biological diversity“, der 1980 in einem Artikel von E.A. Norse und R.E. McManus eingeführt wurde. Der Grund für den Erfolg des Begriffes lag in der Erkenntnis, dass die Gefährdung der biologischen Vielfalt ein zentrales Problem der menschlichen Existenz auf der Erde darstellt. Interessant ist hierbei jedoch auch die Entwicklung der Neuschöpfung, die binnen weniger Jahre den Weg aus speziellen wissenschaftlichen Artikeln in die Öffentlichkeit fand – und rasch auch zu einem politischen Schlagwort wurde, an dem sich nicht nur der „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro 1992 orientierte.

Natürlich freuen sich die Wissenschaftler über die Aufmerksamkeit, die der biologischen Vielfalt seit dem Gipfel zukommt. Immerhin finden ihre Mahnungen angesichts des anhaltenden Artensterbens dadurch auch mehr Gehör. „Die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten ist bedrohter denn je“, erklärt Volker Storch. „Denn viele Spezies werden erst gar nicht entdeckt, sondern sterben aus, ohne je von der Menschheit bemerkt worden zu sein. Und das ist nicht nur sehr, sehr schade – sondern auch ein tatsächlicher Verlust, dessen Bedeutung wir heute möglicherweise noch gar nicht ermessen können“, betont der Heidelberger Wissenschaftler, der deutlich macht, wie wichtig die systematische Erschließung der Tier- und Pflanzenarten ist.

Ganz gleich, ob es sich nun um spektakuläre oder eher unauffällige Spezies handelt. Denn auch ein im Meeressediment lebender Wurm ist ein Bestandteil globaler biologischer Vielfalt – und verdient deshalb genau so sehr einen eigenen Namen wie der Homo sapiens.

Rückfragen bitte an

Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Storch
Institut für Zoologie, Fakultät für Biowissenschaften der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 230, 69120 Heidelberg
Tel. 06221 545655/5656, Fax 546162
volker.storch@urz.uni-heidelberg.de

Media Contact

Dr. Michael Schwarz idw

Weitere Informationen:

http://www.zoo.uni-heidelberg.de/

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