Ein einziger Knall startet Lernprozesse im Gehirn

Wird ein Mensch durch einen Knall erschreckt, dann zuckt er zusammen. Diese Reaktion lässt nach, wenn der Knall in kurzen Zeitabständen wieder und wieder zu hören ist – der Mensch gewöhnt sich daran. Wissenschaftler sprechen hier von Habituation, einer speziellen Form des Lernens. Was dabei im Gehirn passiert, hat Maruschka Weber von der Uni Würzburg herausgefunden.

In ihrer Doktorarbeit, die sie noch als Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Uni Tübingen angefertigt hat, untersuchte die Biologin am Modell der Ratte, was bei der Habituation auf zellulärer Ebene im Gehirn vor sich geht. Hierfür wählte sie ein sehr einfaches Verhalten aus, bei dem die Verschaltung der Nervenzellen weitgehend bekannt ist, nämlich die akustische Schreckreaktion. Mit dieser sei es möglich, Verhaltensänderungen mit zellulären Veränderungen in Verbindung zu bringen – was bei Säugetieren bisher nur sehr selten gelungen sei, so Weber.

Bei Säugetieren sieht die Schreckreaktion nach plötzlichen lauten Geräuschen so aus: Es kommt zu einer kurzfristigen Anspannung von Muskeln, die eine Schutzhaltung des Organismus bewirken und ihn auf Flucht oder Verteidigung vorbereiten. Treten die auslösenden Reize ohne negative Folgen wiederholt auf, geht die Reaktion der Muskeln zurück, weil das Tier die Geräusche dann als gefahrlos einstuft.

Die Forscherin hat mit elektrophysiologischen Messungen herausgefunden: In der Nervenbahn, die für die akustische Schreckreaktion zuständig ist, verändern sich an einer einzigen Station Synapsen – die Effizienz dieser Nervenschaltstellen nimmt bei wiederholter Reizung ab. Laufen die Schreckreize erstmals im Gehirn ein, werden dabei so genannte Glutamat-Rezeptoren aktiviert. Diese verringern bei weiteren Reizungen die Ausschüttung von Überträgerstoffen, die für die Weiterleitung der Impulse notwendig sind. Die nachgeschalteten Nervenzellen werden dadurch weniger stark erregt, die Muskelzuckungen schwächen sich ab. Schon ein einziger Schreck setzt also das Lernen in Gang.

Für diese Erkenntnisse bekam Maruschka Weber am 21. Oktober in Tübingen den mit 2.000 Euro dotieren Promotionspreis der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung (Tuttlingen) verliehen. An der Uni Würzburg arbeitet die Wissenschaftlerin seit April 2004. Hier erforscht sie am Physiologischen Institut die Funktionsweise von Kalium-Kanälen im Gehirn. Diese Kanäle regulieren die Erregbarkeit der Nervenzellen, sind aber beispielsweise auch Angriffspunkt für Narkosemittel.

Weitere Informationen: Dr. Maruschka Weber, T (0931) 31-2726, Fax (0931) 31-2741, E-Mail: maruschka.weber@mail.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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