Genotoxizitätstest an menschlichen Zellkulturen

Ursula-M.-Händel-Tierschutzpreis der DFG

Prof. Dr. Lisa Wiesmüller, Leiterin der Sektion Gynäkologische Onkologie der Universitätsfrauenklinik Ulm, erhält den mit 25.000 Euro dotierten, erstmals verliehenen Ursula-M.-Händel-Tierschutzpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu gleichen Teilen mit Prof. Dr. Klaus Otto von der Medizinischen Hochschule Hannover. Wiesmüller hat ein Testverfahren entwickelt, mit dem Chemikalien, Arzneimittel und Lebensmittel-Inhaltsstoffe in menschlichen Zellkulturen auf ihre erbgutschädigende (Mutagenität) und krebserzeugende Wirkung (Kanzerogenität) geprüft werden können (Patentanmeldung in Europa und den USA).

Das Verfahren dient dem Nachweis von chromosomalen Rearrangements und Genmutationen als Indikatoren für Genotoxizität in menschlichen Zellen. Bisher war ein sicherer Nachweis dieser Wirkung nur im Tierversuch möglich, eine Folge des Umstands, daß zahlreiche beim Menschen genotoxisch wirkende Substanzen durch die verfügbaren In-vitro-Verfahren wie zum Beispiel den klassischen Ames Assay nicht erfaßt werden. Der von Wiesmüller entwickelte Test erweitert nun das Detektions-Spektrum an genotoxischen Schadstoffen durch Registrierung von rekonstituierenden, deletierenden und mutierenden genetischen Veränderungen und durch Berücksichtigung der physiologischen Besonderheiten von Säugerzellen. Der Nachweis basiert auf der Quantifizierung von zellulären Fluoreszenz-Signalen, zeichnet sich durch eine kurze Reaktionszeit aus und erfüllt die Voraussetzungen für die Automatisierung.

Die schwedische EU-Umweltkommissarin Margot Wallström fordert in Hinsicht auf die zukünftige EU-Chemikalien-Richtlinie, daß die marktgängigen mehr als 100.000 chemischen Substanzen auf ihre Schädlichkeit überprüft werden müssen. Die Behörden der EU-Mitgliedstaaten haben im Jahr 2001 Leitlinien für drei In-vitro-Toxizitätstests angenommen. Das Europäische Zentrum zur Validierung alternativer Methoden zu Tierversuchen hat zwei tierversuchsfreie Tests zugelassen, den Lymphknoten-Assay für Hautsensibilisierung und den EpiDerm-Hautkorrosivtest. Im November 2002 erzielte der Rat der Europäischen Kommission Übereinstimmung in Hinsicht auf das Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte. Die Beispiele zeigen, daß ein zunehmender Bedarf an tierversuchsfreien Methoden zur Toxizitätsbestimmung von chemischen Substanzen besteht.

Das von Prof. Wiesmüller entwickelte und von der DFG für preiswürdig befundene Verfahren wird dazu beitragen, die Zahl der Tierversuche bei Kanzerogenitätsprüfungen deutlich zu reduzieren. Es ist geeignet, multiple kanzerogene Genom-Veränderungen zu erkennen und bietet die Grundlage für die Identifikation eines breiten Spektrums von Kanzerogenen. Die Möglichkeit der Wirkstoff-Analyse in menschlichen Zellen aus unterschiedlichen Geweben erlaubt es, zelluläre DNA-Schadens-Antworten bis hin zur Induktion der Apoptose bei der Entstehung von Genom-Schäden zu berücksichtigen. Einen besonders interessanten Aspekt stellt die Übertragung des Systems auf genetisch modifizierte Säugerzellen dar, in denen Stoffwechsel-Kompetenzen der menschlichen Leber imitiert wurden. Prof. Wiesmüllers Ziel besteht darin, das sehr leicht handhabbare Verfahren weiter zu optimieren. Für die Erforschung von Alternativmethoden zum Tierversuch wurde sie bereits 2002 mit dem Preis der Fondation Internationale pour la Substitution de l’Expérimentation Animale (FISEA) ausgezeichnet.

Kontakt: Prof. Dr. Lisa Wiesmüller, Tel. 0731-500-27640

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Peter Pietschmann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-ulm.de

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