Duft und Sex bei Wanderheuschrecken

Hallesche Zoologen erforschen das Liebesleben der Wüstenheuschrecken

Eine Arbeitsgruppe, geleitet von Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz vom Institut für Zoologie an der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg, hat herausgefunden, dass bei anhaltend guten Umweltbedingungen und reichlichem Futterangebot das Paarungsverhalten der Wüstenheuschrecken sich gravierend ändert und dadurch eine „Massenvermehrung“ ausgelöst wird.

Wüstenheuschrecken leben normalerweise vereinzelt in wasserarmen Gebieten Nordafrikas. Sie kommen in einzelnen Phasen nur in sehr geringen Mengen vor und richten auch keinen nennenswerten Schaden an. Jedoch bei anhaltend guten Umweltbedingungen mit reichhaltigem Futterangebot wird eine regelrechte „Massenvermehrung“ ausgelöst. Innerhalb weniger Monate kommt es dann zur Ausbildung der biologisch (morphologisch, physiologisch) unterscheidbaren Wanderphase, in der sich die Heuschrecken zu gewaltigen, schadenstiftenden Schwärmen („Biblische Plagen“) „zusammenrotten“. Derzeit müssen gerade die nordafrikanischen Länder, unter anderem Marokko, Mali und Mauretanien, unter einer Heuschreckenplage leiden.

Durch die extremen Schwankungen in der Populationsdichte werden die Männchen mit ganz unterschiedlichen Situationen und Anforderungen in der Partnerfindung konfrontiert. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz hat herausgefunden, dass offenbar diese Umstände zu einer bemerkenswerten Veränderung und Erweiterung des Paarungsverhaltens geführt haben. Bei hoher Populationsdichte und nur dann, bilden die geschlechtsreifen Männchen zur Abwehr von Konkurrenten den abstoßenden Duftstoff, das Pheromon. Demzufolge sichern sie sich den eigenen Fortpflanzungserfolg, die Vaterschaft. Bei geringem Konkurrenzdruck unterbleibt die Bildung dieses Duftstoffs.

Da sich die gegenwärtige Heuschrecken-Invasion zu einer Naturkatastrophe enormen Ausmaßes entwickelt, hofft das hallesche Team, dass im Rahmen der erzielten Forschungsergebnisse ein wirksamer Beitrag für eine umweltverträgliche Bekämpfung dieser Plage – unter Verzicht oder zumindest Einschränkung der Anwendung von Insektiziden – geleistet werden kann. Die Gefahr einer weiteren Verbreitung besteht, denn bisher hat die Wüstenheuschrecke nur einen Teil des möglichen Befallsgebietes, das von afrikanischen Atlantikküste bis zum Ganges und vom Mittelmeer bis nach Tansania reicht, heimgesucht. Es handelt sich dabei um ein Fünftel der Landfläche der Erde, bewohnt von 20% der Weltbevölkerung, die überwiegend in ärmlichen Verhältnissen lebt.

Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz, Jahrgang 1946, hat seit 1995 eine Professur für Tierphysiologie am Institut für Zoologie inne und befasst sich seit vielen Jahren mit der Physiologie und dem Verhalten von Wanderheuschrecken. Sein Fachgebiet ist die Insektenphysiologie. Sowohl verschiedene Bundesministerien als auch internationale Organisationen (unter anderem UN, FAO) holten seinen fachlichen Rat in Fragen der Heuschreckenbekämpfung ein.

Ferenz studierte und promovierte von 1966 bis 1973 an der Universität Köln. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Niederlanden, in Darmstadt und in Oldenburg tätig. 1985 habilitierte er sich an der Universität Oldenburg und lehrte dort als Professor auf Zeit. 1995 wurde er an die Martin-Luther-Universität berufen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz
Tel.: 0345 55-26440
Fax: 0345 55-27152
E-Mail: ferenz@zoologie.uni-halle.de

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Ingrid Godenrath idw

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