Die Antwort der Gene sichtbar gemacht

Was genau passiert, wenn ein Signalmolekül auf der Zelloberfläche andockt? Ein Forscherteam unter der Leitung von Privatdozent Dr. Dr. Peter E. Huber vom Deutschen Krebsforschungszentrum machte die komplexen zellulären Reaktionen, die eine solche Bindung auslöst, zum ersten Mal auf Ebene der Gene sichtbar.

Die Wissenschaftler wählten für ihre Untersuchungen ein gut bekanntes Molekül: Das körpereigene Protein Endostatin hemmt die so genannten Endothelzellen, neue Blutgefäße auszubilden (Angiogenese). Tumoren sind ab einer Größe von ein bis zwei Millimetern auf Versorgung über die Blutbahn angewiesen. Unter Endostatinbehandlung stellen sie ihr Wachstum ein und bilden sich sogar zurück, wie 1998 an Mäusen gezeigt werden konnte.

Mit einem DNS-Chip, der rund 90 Prozent des menschlichen Erbguts repräsentiert, untersuchten die Forscher, welche Gene der Endothelzellen unter Einfluss von Endostatin ruhig gestellt oder aber aktiviert werden. Dabei stellte sich heraus, dass das Signalmolekül massiv in den Stoffwechsel der Zelle eingreift: Bei erstaunlichen 12 Prozent der untersuchten Gene kam es zu einer signifikanten Änderung der Expression. Dabei handelt es sich nicht um Zufallsbefunde: Eine detaillierte Auswertung des Ergebnisses auf Gen- und Proteinebene zeigte, dass den Aktivitätsänderungen ein sinnvolles Schema zugrunde liegt. Gene mit bekannter angiogenesefördernder Wirkung wurden gedrosselt, solche, die die Blutversorgung hemmen, wurden aktiviert.

„Uns ist hier zum ersten Mal ein „Schnappschuss“ gelungen, der die Antwort der Gene auf ein Signalmolekül dokumentiert. Dabei konnten wir gleichzeitig Gene identifizieren, die im Zusammenhang mit der Angiogenese bisher nicht bekannt waren und die möglicherweise Angriffspunkte für innovative Tumormedikamente sind“, kommentiert Peter Huber das Ergebnis.

Tumorzellen veranlassen Blutgefäße aktiv dazu, in den Krebsherd einzusprossen. Diesen Versorgungsweg zu blockieren, gilt seit den neunziger Jahren als vielversprechendes Behandlungskonzept. Ein erstes Medikament (Avastin), das nach diesem Prinzip wirkt, wurde kürzlich in den USA gegen Darmkrebs zugelassen. Der Vorteil der Methode: Anders als andere Krebsmedikamente wirken Angiogenesehemmer nicht auf die genetisch instabilen Tumorzellen, sondern auf gesunde, genetisch stabile Endothelzellen. Dadurch wird, so hoffen die Wissenschaftler, die Resistenzentwicklung verzögert, die oft die Wirkung klassischer Chemoherapeutika einschränkt.

Amir Abdollahi, Philip Hahnfeldt, Christian Maercker, Herman-Josef Gröne, Juergen Debus, Wilhelm Ansorge, Judah Folkman, Lynn Hlatky, and Peter E. Huber: Endostatin’s Antiangiogenic Signaling Network. Molecular Cell, Vol. 13, Seite 649, 2004

Media Contact

Dr. Julia Rautenstrauch idw

Weitere Informationen:

http://www.dkfz.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer