Neue Erkenntnisse zur Krankheit Ruhr

Eine Amöbe unter dem Elektronenmikroskop

Struktur eines parasitären „Killerproteins“ zum ersten Mal entschlüsselt

Die Kieler Strukturbiologen Dr. Joachim Grötzinger und Oliver Hecht (Biochemisches Institut, Lehrstuhl Professor Stefan Rose-John) haben in Zusammenarbeit mit Professor Matthias Leippe (Institut für Zoophysiologie) die dreidimensionale Struktur eines Proteins (Amoebapore) aufgeklärt, das als Zellgift wirkt und wesentlich für den Ausbruch der gefährlichen Tropenkrankheit Amöbiasis (Amöbenruhr) verantwortlich ist. Dabei entschlüsselten sie auch den Mechanismus, wie dieses toxische Protein wirkt.

Spezielle parasitische Amöben können innerhalb von Minuten jede Art von Zelle, auch Abwehrzellen des Immunsystems, töten. Warum? Im Inneren der Amöben befinden sich bestimmte Proteine (Amoebapores), die in der Lage sind, Löcher (Poren) in fremden Zellhüllen zu bilden und die Zellen dadurch abzutöten. Die Kieler Forscher haben diese „Killer-Amöben“ im Labor am Tropeninstitut in Hamburg kultiviert und die porenbildenden Proteine isoliert, um sie mit Hilfe der NMR-Spektroskopie (nuclear magnetic resonance) zu untersuchen. Mit dieser Methode bestimmten sie die dreidimensionale Struktur des Proteins und konnten im Modell die biochemischen Vorgänge nachweisen, die schließlich zur Zellzerstörung führen.

Die aktuellen Forschungsergebnisse entstanden in enger Zusammenarbeit der beiden Forschungsteams, welche an der Universität Kiel in den Sonderforschungsbereich (SFB617: Molekulare Mechanismen der epithelialen Abwehr) integriert sind.

Weltweit sind etwa 50 Millionen Menschen vor allem in tropischen Ländern von der Krankheit betroffen und etwa 100 000 davon sterben jährlich an den Folgen der Infektion mit „Entamoeba histolytica“. Das ist eine im Dickdarm des Menschen lebende Amöbe, die Amöbenruhr (Fachwort: Amöbiasis) und schwere Leberzerstörungen auslösen kann. Der Mensch kann diese Amöben über verunreinigte Nahrung und Trinkwasser aufnehmen, doch nur unter bestimmten Umständen bricht die Krankheit aus. Den Kieler Forschern gelang es erstmalig, die dreidimensionale Struktur des Killerproteins eines solchen Parasiten aufzuklären. Da die Amoebiasis – zusammen mit Malaria – zu den schlimmsten durch Parasiten verursachten Krankheiten in der Welt gehört, hofft man nun, durch die neuen Erkenntnisse auch die rätselhaften Umstände der Entstehung der Krankheit besser zu verstehen und den Menschen in den vielen Ländern helfen zu können, die nicht unter so hygienischen Bedingungen leben wie wir selbst.

Kontakt:
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Biochemisches Institut
Dr. Joachim Grötzinger
Tel.: 0431-880-1686, Fax: 0431-880-2007
jgroetzinger@biochem.uni-kiel.de

Media Contact

Susanne Schuck idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-kiel.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer