Zellwanderung: GBF-Forscher klären Signalweg auf

Was den Zellen Beine macht

Von Rac über Sra und Nap zu Abi, WAVE und Arp: Was für den Laien nach einem unverständlichen Kürzel-Kauderwelsch klingt, ist tatsächlich die Formel für die Beweglichkeit von Zellen – und damit ein Schlüssel zum Verständnis so unterschiedlicher Vorgänge wie der Embryonalentwicklung, der Wundheilung oder der Ausbreitung von Krebsgeschwüren im Körper. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig haben – gemeinsam mit italienischen Kollegen des European Institute of Oncology in Mailand – erforscht, auf welchem Weg Zellen Signale von außen in Bewegungsimpulse umsetzen. Ihre Ergebnisse beschreiben sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „The EMBO Journal“.

„Praktisch immer, wenn menschliche oder tierische Zellen ihre Form verändern, liegt dem derselbe Mechanismus zu Grunde: Die so genannte Aktin-Polymerisation“, erklärt Dr. Theresia Stradal, Forscherin bei der Abteilung Zellbiologie der GBF. Dabei fügen sich einzelne Moleküle des Eiweißes Aktin an der Zellmembran zu langen Ketten zusammen und beginnen, Ausstülpungen der Zelloberfläche nach außen zu bilden. Ein bestimmter Typ solcher Ausstülpungen heißt „Führungslamelle“. Beginnt eine Zelle, sich fortzubewegen, so bildet sie stets als Erstes Führungslamellen. Andere Ausstülpungs-Formen entstehen, wenn beispielsweise eine Fresszelle des Immunsystems einen Fremdkörper vertilgt.

Wachstum, Wunden und Erreger-Tricks

Ausgelöst wird die Aktin-Polymerisation meist durch Signale von außen. Wachstumsfaktoren oder andere Botenstoffe können der Zelle einen „Wanderungsbefehl“ erteilen. Das geschieht etwa bei der Wundheilung, wo verschiedene Typen von Zellen schnell zum Ort der Verletzung gelangen müssen, aber auch bei der Entwicklung der Körpergewebe im Embryo. Auch manche Krankheitserreger lösen solche Vorgänge aus, wenn sie auf die Oberfläche menschlicher Zellen treffen. Ziel ihres Tricks: Die Zelle soll sie umschließen und in ihr Inneres aufnehmen. „Man wusste bislang bereits, dass diese Auslöser-Signale durch Moleküle wie das so genannte Rac1 weitergeleitet werden“, erklärt Anika Steffen, die zu diesem Thema an der GBF ihre Doktorarbeit anfertigt. Am Ende der ganzen Signalkette steht ein Eiweiß-Komplex namens Arp 2/3, der die Bildung der Aktin-Ketten auslöst – auch das war bekannt. „Wir haben jetzt herausgefunden, dass zwei Proteine namens Sra-1 und Nap 1 in der Mitte des Übertragungsweges stehen“, so Anika Steffen. „Blockiert man Sra oder Nap, kann die Zelle keine Lamellen mehr bilden, sich nicht mehr bewegen, nichts mehr aufnehmen.“

Nachdem die Aktin-Bildung an so vielen entscheidenden Prozessen im menschlichen Körper beteiligt ist, könnte die Kenntnis dieses Signalwegs neues Licht auf viele medizinisch relevante Fragen werfen. „Man kann beispielsweise untersuchen, ob dieser Signalweg in invasiven, also abnorm beweglichen Tumorzellen oder bei gestörter Wundheilung falsch reguliert ist“, erklärt Theresia Stradal.

Media Contact

Thomas Gazlig GBF

Weitere Informationen:

http://www.gbf.de

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