Nur wenige Signalwege steuern Entwicklung von der Hydra zum Menschen

In den vergangenen fünf bis zehn Jahren haben Biologen immer tiefere Einblicke in die biochemischen und molekularen Netzwerke gewonnen, die die Entwicklung von Lebewesen von der befruchteten Eizelle bis zum kompletten Organismus mit Billionen von Zellen und unterschiedlichen Organen regulieren.

„Wir haben festgestellt, dass von der Hydra (Süßwasserpolyp) bis zum Menschen nur eine Hand voll Signalwege diese Entwicklung steuert“, sagte Prof. Walter Birchmeier, Forschungsgruppenleiter am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch. „Die Signalwege sind dabei genau aufeinander abgestimmt, damit es nicht zu Fehlentwicklungen oder zur Tumorbildung kommt“, sagte er weiter. Jetzt haben er und Natalia Soshnikova, eine Doktorandin aus seiner Forschungsgruppe, bei Mäusen zeigen können, dass für die Bildung von Gliedmaßen zwei ganz bestimmte Signalpfade nötig sind. „Beide Signalpfade sind gleich wichtig und hängen voneinander ab. Fehlt einer von beiden, können sich die Gliedmaßen nicht ausbilden“, betonen die Forscher. Zugleich gelang es ihnen, die zeitliche Abfolge und die damit verbundene räumliche Ausbildung der Gliedmaßen (Achsenbildung) zu verfolgen. Die Arbeit von Natalia Soshnikova, Dr. Dietmar Zechner und Prof. Birchmeier in Zusammenarbeit mit Forschern aus den USA und Japan ist jetzt in der renommierten Zeitschrift Genes and Development (Vol. 16, Nr. 17, August 15, 2003, pp. 1963-1968) erschienen.

Natalia Soshnikova erforschte die Entwicklung von Gliedmaßen der Maus im so genannten Ektoderm, der äußeren Epithelschicht des Körpers. Außer den Gliedmaßen ist diese Zellschicht auch für die Ausbildung anderer Organe wie Haut, Haare, Krallen sowie die Sinnesorgane, das Gehirn und die Wirbelsäule verantwortlich. Zwei Signalwege, in der Fachsprache BMP-pathway und Wnt-pathway bezeichnet, sind für die Ausbildung der verschiedenen Achsen der Gliedmaßen nötig. Die Abkürzung BMP steht für bone morphogenic protein – Knochenbildendes Protein, während Wnt für „wingless type“ steht, was „ohne Flügel“ bedeutet und eine bestimmte Veränderung bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster bezeichnet. Moleküle des Wnt-Signalweges, darunter auch das so genannte beta-Catenin, werden in der Forschungsgruppe Birchmeier seit Jahren erforscht. Beta-catenin spielt zudem eine entscheidende Rolle bei der Bildung des „Zellkitts“ für
Zellen, sorgt also dafür, dass Zellen in ihrem Zellverband bleiben.

Die beiden Signalpfade sind dafür verantwortlich, dass sich zwei Achsen der Gliedmaßen ausbilden, die Achse Schulter – Krallenspitze (proximal – distal) oder die Achse Pfotenrücken – Pfoteninnenfläche (dorsal – ventral). So stellte die junge Forscherin Natalia Soshnikova fest, dass der BMP-Pfad zuerst die Signale für die Ausbildung der Achse von der Schulter bis zur Krallenspitze (proximal – distal) anlegt. Anschließend wird der Wnt-Signalpfad aktiv. Zum anderen ist für die Ausbildung der Achse Pfotenrücken – Pfoteninnenfläche (dorsal – ventral) zuerst das Signalmolekül beta-Catenin aus dem Wnt-Signalweg aktiv, und danach folgen die des BMP-Pathways. Die Erkenntnisse der Entwicklungsbiologen sind auch für die Erforschung des Nerven- und Herz-Kreislaufsystems sowie der Tumorentstehung von Bedeutung.

Max-Delbrück-Centrum for Molecular Medicine, Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin, Germany

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Barbara Bachtler idw

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