Neue Erkenntnisse im Strahlenschutz

Erstmalige Messung von Neutronendosen in Hiroshima

Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Technischen Universität München sowie Wissenschaftlern aus den USA ist es erstmals gelungen, nachträglich die Neutronendosen zu messen, denen die Überlebenden der Atombombenexplosion von Hiroshima ausgesetzt waren. Die genaue Kenntnis dieser Werte ist für den Strahlenschutz sehr wichtig: Denn das Wissen über Spätfolgen von ionisierender Strahlung beim Menschen beruht wesentlich auf Untersuchungen an den Überlebenden der Atombombenexplosionen in Japan. Um die im internationalen Strahlenschutz verwendeten Grenzwerte abzuleiten, werden die bei den Überlebenden beobachteten zusätzlichen Leukämie- und Tumorerkrankungen in Bezug zu den damals vorhandenen Gammastrahlungs- und Neutronendosen gesetzt. Die Neutronendosen, die bisher nicht gemessen werden konnten, sind für die Ableitung der Grenzwerte für Gammastrahlung von zentraler Bedeutung.

Das Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht in seiner Ausgabe vom 31. Juli 2003 die Ergebnisse der Wissenschaftler von der Fakultät für Physik der Technischen Universität München, dem Strahlenbiologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Lawrence Livermore National Laboratory (USA) und der Universität von Utah (USA).

Um die durch die hochenergetischen Neutronen der Atombombenexplosion verursachten Neutronendosen zu bestimmen, untersuchten die Forscher Kupferproben aus Hiroshima, wie zum Beispiel Blitzableiter oder Dachrinnen. Darin wiesen sie das radioaktive Nickel-Isotop Ni-63 nach, das ebenfalls durch hochenergetische Neutronen erzeugt worden war und wegen seiner langen Halbwertszeit von 101 Jahren auch heute noch vorhanden ist. Da die in den Kupferproben vorhandene Zahl an Ni-63 Atomen äußerst gering ist – teilweise weniger als zehn Ni-63 Atome unter 1018 (das ist eine Milliarde mal eine Milliarde) Kupfer Atomen – mussten die Wissenschaftler spezielle Präparations- und Nachweistechniken entwickeln. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Methode der Beschleuniger-Massenspektrometrie, die am Tandem-Beschleuniger des Maier-Leibnitz-Labors der beiden Münchner Universitäten in Garching eingesetzt wird. In Kombination mit einem speziellen Nachweissystem sind damit Messungen mit weltweit einzigartiger Empfindlichkeit möglich.

Die Messergebnisse bestätigen auf eindrucksvolle Weise die Abschätzungen der Neutronendosen, die – weitgehend auf theoretische Annahmen gestützt – über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren im Rahmen aufwändiger internationaler Bemühungen immer wieder verbessert worden waren. Gleichzeitig waren diese Werte jedoch immer wieder angezweifelt worden, wobei Messungen von niederenergetischen Neutronen, die jedoch zu den Neutronendosen nur wenig beigetragen hatten, eine wesentliche Rolle spielten. Nun wurden diese Zweifel ausgeräumt und damit grundlegende Annahmen des Strahlenschutzes bestätigt.

Kontakt:

Dr. Gunther Korschinek
Technische Universität München
James-Franck-Strasse, 85748 Garching
Tel. 089 – 289-14257, Fax: -14280
Gunther.Korschinek@ph.tum.de

Dr. Werner Rühm
Ludwig-Maximilians-Universität München
Schillerstr. 42, 80336 München
Tel. 089-5996-838, Fax: -840
W.Ruehm@lrz.uni-muenchen.de

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