Forschungsdebatte: Muss der menschliche Stammbaum gestutzt werden?

Muss die gängige Version des menschlichen Stammbaums neu gezeichnet werden? Stammen wir Menschen seit rund einer Million Jahre alle von einer Art ab? Diese Fragen beschäftigen derzeit Deutschlands Anthropologen.

Eine neue Systematik der frühen Menschen beginnt sich durchzusetzen. NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND berichtet in seiner Dezember-Ausgabe über die aktuelle Forschungsdebatte.

Die Wissenschaftler glauben heute, dass es gar nicht so viele Arten von Menschen gab, wie viele Stammbaumentwürfe vermuten lassen. Viele fossile Funde, die man bisher verschiedenen Arten zugeordnet hatte, seien nur Variationen des Körperbaus innerhalb derselben Fortpflanzungsgemeinschaft. Manche Anthropologen nehmen inzwischen an, dass seit rund einer Million Jahre überall auf der Welt nur noch eine Art Mensch gelebt hat. Hintergrund der These ist die Annahme, dass die ersten Menschen vor 1,8 Millionen Jahren zwischen den Kontinenten zu wandern begannen. Nicht, wie bislang angenommen, nur aus Afrika heraus, sondern auch wieder zurück. Aber auch von Asien nach Europa und von Europa nach Asien. Auf ihren Routen trafen sie andere Clans, mit denen sie Wissen und Erfahrungen austauschten, bei denen sie aber auch Partner fanden, Kinder zeugten und so ihre Gene miteinander vermischten. In China und Deutschland gefundene Homo-erectus-Fossilien weisen große Übereinstimmungen auf und untermauern die Annahme einer weltweit einzigen Menschenart.

Zudem glauben die deutschen Anthropologen, dass Mitteleuropa viel früher besiedelt war, als man bisher dachte. Grund zu dieser Annahme geben Alterskorrekturen fossiler Menschenknochen in Europa: Zahlreiche Funde können durch neue Forschungen rückdatiert werden. So konnte der 1907 bei Heidelberg gefundene Unterkiefer des Homo heidelbergensis durch jüngste Analysen jetzt auf ein Alter von 700 000 Jahren datiert werden. Die meisten Forscher schrieben ihm bislang ein Alter von rund 500 000 Jahren zu. Menschliche Überreste aus dem italienischen Ceprano, südlich von Rom, sind nicht 800 000, sondern 900 000 Jahre alt. Und an der Ostküste Englands, in East Anglia, werden die ältesten Spuren des Menschen neuerdings auf 700 000 Jahre geschätzt – 200 000 Jahre älter als die bisher ältesten Funde von Boxgrove an der Südküste Britanniens. Bei Worms wurden zudem Steinwerkzeuge gefunden, die vermutlich 800 000 Jahre alt sind. Die Zahlen legen nahe, dass die Menschen aus Afrika den Weg nach Europa viel früher fanden, als die Wissenschaftler bislang vermuteten. Und die Funde zeigen, dass auch ihre handwerklichen und kulturellen Fähigkeiten schon sehr früh weit entwickelt waren.

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Myriam Reinwein nationalgeographic.de

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