Gestörte Verbindungen von Gehirnzellen

Arbeitsgruppe des Humangenetischen Instituts in Heidelberg entdeckt Gen, dessen Defekt geistige Retardierung verursacht

Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Gudrun Rappold am Human-genetischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg hat ein Gen entdeckt und charakterisiert, das eine schwere Form der geistigen Behinderung hervorruft. Dieses Gen befindet sich auf Chromosom 3. Das MEGAP (Mental disorder associated GAP protein) genannte Gen ist vor allem im Gehirngewebe aktiv und reguliert dort die Ausbildung von Verknüpfungen der Nervenzellen untereinander. „Defekte an diesem Gen, die wir an schwer geistig behinderten Patienten gefunden haben, führen zu fehlerhaften Gehirnstrukturen und damit zu niedriger Intelligenz. Betroffen sind vor allem Hirnbereiche, die für Erinnerung und Lernen wichtig sind,“ sagt Frau Prof. Rappold. Die wissenschaftliche Arbeit Ihres Teams ist vor kurzem in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen (Ausgabe vom September 2002, Band 99, Nr. 18, S. 11754 – 11759).

In den vergangenen Jahren wurde bei der Erforschung der genetischen Ursachen von geistiger Retardierung große Fortschritte erzielt, vor allem bei Genveränderungen, die auf dem X-Chromosom lokalisiert sind. Diese wirken sich fast ausschließlich bei männlichen Trägern aus, da diese nur über ein X-Chromosom verfügen und eine Veränderung nicht wie bei Trägerinnen durch das zweite, meist normale X-Chromosom ausgeglichen wird. Nach dem Down-Syndrom sind die X-gekoppelten Defekte die häufigsten vererbten Retardierungen bei Männern und treten etwa mit einer Häufigkeit von 1:1000 Geburten auf. „Da MEGAP nicht auf dem X-Chromosom liegt wie alle bislang bekannten Gene für geistige Behinderung, konnten wir zeigen, dass auch Frauen betroffen sind,“ sagt Volker Endris, Doktorand der Arbeitsgruppe.

MEGAP konnte bereits einem bestimmten Stoffwechselweg (Slit-Robo) zugeordnet werden, der das korrekte Auswandern neuronaler Stammzellen und deren Verknüpfung mit anderen Nervenzellen steuert. „Damit könnten diese Befunde auch neue Strategien zur Reparatur und Regeneration beispielsweise von verletztem oder durch Schlaganfall betroffenem Gehirngewebe eröffnen“ sagt Frau Prof. Rappold. Ihre Arbeitsgruppe wird sich nun auf weitere Untersuchungen zur Funktion des Gens an Mäusen konzentrieren. So soll unter anderem die Frage beantwortet werden: Was passiert eigentlich genau im Gehirn, wenn das Gen gezielt verändert wird?

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Dr. Annette Tuffs idw

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