Erste genetische Karte des Genoms des Fadenwurms Pristionchus pacificus publiziert

Vom Fadenwurm Pristionchus pacificus (Vordergrund) liegt jetzt eine genetische Karte vor, die den Wissenschaftlern die Lokalisation von Genen ermöglicht (im Hintergrund ein Ausschnitt aus einem Gel mit DNA-Fragmenten). <br>Foto: J.Berger, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie <br>

Navigationshilfe bei der Suche nach Mutationen / Vergleichende Untersuchungen zur Embryonalentwicklung entscheidend vereinfacht

Die Arbeitsgruppen um Ralf J. Sommer und Stephan C. Schuster am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen haben in Zusammenarbeit mit der niederländischen Firma Keygene die erste genetische Karte des P. pacificus Genoms erstellt (Genetics, Vol. 162, Ausgabe September 2002). Diese Karte ermöglicht es den Genforschern nun erfolgreich im Genom des kleinen Fadenwurms zu „navigieren“, um dort die Position eines Gens oder einer Mutation zu bestimmen. Damit haben die Forscher einen wichtigen Schritt zur Charakterisierung von funktionellen Mutanten unternommen – und können ein Fenster öffnen, das einen Blick auf die Evolution von Vorgängen bei der Embryonalentwicklung erlaubt.

Wie sind die im Zuge der Embryonalentwicklung ablaufenden Vorgänge evolutionär entstanden?, so lautet eine Schlüsselfrage der Biologie. Hinweise auf die zugrunde liegenden Mechanismen der Evolution kann ein Vergleich von Modellorganismen mit verwandten Organismen liefern. Dazu begeben sich die Forscher auf die Suche nach den Unterschieden in der Embryonalentwicklung und versuchen deren genetische Grundlagen zu identifizieren.

Einer der wichtigsten Modellorganismen in der Entwicklungsbiologie ist der im Boden lebende etwa ein Millimeter lange Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Seine Entwicklung ist verhältnismäßig einfach – das erwachsene Tier besteht aus nur rund 1000 Zellen – und verläuft sehr stereotyp. Tatsächlich ist es den Forschern schon vor geraumer Zeit gelungen, das Schicksal jeder einzelnen Zelle, quasi die Zellbiographie, bei C. elegans nachzuvollziehen – wann und wo sie sich teilt und welche Entwicklung ihre Nachkommen einschlagen, d. h. welchen Platz sie im ausgewachsenen Organismus einnehmen. Als Forschungsobjekt ist C. elegans äußerst beliebt. Er war der erste mehrzellige Organismus, dessen Genom vollständig entschlüsselt werden konnte.

Verschiedenste Aspekte der Embryonalentwicklung lassen sich am Beispiel des Eiablageorgans, der so genannten Vulva, hervorragend untersuchen. Die Entwicklung dieses Organs ist bei C. elegans mittlerweile sehr gut verstanden, und auch die Gene, die diesen Vorgang kontrollieren, sind bekannt. Nun möchten die Wissenschaftler mehr über die während der Evolution entwickelten Mechanismen herausfinden. In der Arbeitsgruppe um Ralf J. Sommer am Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie steht daher ein Vergleich zwischen der Entwicklungsprogrammatik von C. elegans und einem entfernten Verwandten, dem Fadenwurm Pristionchus pacificus, im Zentrum des Interesses. Die genetische Kontrolle der Vulva-Entwicklung bei P. pacificus unterscheidet sich jedoch deutlich von der bei C. elegans. Das macht einen direkten Vergleich der beteiligten Gene schwer.

Ein erster Schritt besteht daher in der Herstellung von Mutanten, bei denen der Prozess der Vulva-Bildung durch ein defektes Gen gestört ist. Die betroffenen Individuen von P. pacificus zeigen Defekte bei der Organentwicklung und liefern damit wichtige Informationen über die Funktion des jeweiligen Gens während der Embryogenese. Bisher ist es jedoch für die Wissenschaftler ausgesprochen schwierig gewesen herauszufinden, welches Gen in der Mutante defekt ist. Um die Lage des Gens im Genom zu bestimmen, benötigen die Forscher eine detaillierte Genomkarte mit Markierungspunkten (so genannten Markern), die wie Meilensteine über das Genom verteilt sind. Erst mit ihrer Hilfe kann die Position eines Gens bzw. einer Mutation im Genom bestimmt werden. In Zusammenarbeit mit der im niederländischen Wageningen ansässigen Firma Keygene ist es den Arbeitsgruppen von Ralf J. Sommer und Stephan C. Schuster am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie nun gelungen, eine genetische Karte des P. pacificus Genoms zu erstellen (mit 120 bis 130 Millionen Bausteinen entspricht das P. pacificus-Genom im Umfang etwa 4 Prozent des Humangenoms).

Die Nützlichkeit ihrer Karte, die von der Arbeitsgruppe Sommer mittlerweile ins Internet gestellt worden ist, konnten die Forscher adhoc demonstrieren, indem sie ein bis dahin in P. pacificus unbekanntes Gen mit dem kryptischen Kürzel Ppa-unc-1/Twitchin lokalisierten und identifizierten. Die genetische Karte des P. pacificus-Genoms wird das Auffinden von Genen in dem kleinen Fadenwurm erheblich erleichtern und damit Vergleiche zur Evolution entwicklungsbiologischer Vorgänge überhaupt erst ermöglichen.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Ralf J. Sommer
Abt. für evolutionäre Biologie
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
Spemannstrasse 37
D-72076 Tübingen
Tel: 07071 – 601371
Fax 07071 – 601498

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Presseinformation

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer