Stresshormone im Blut – Einmaliges Ausbildungskonzept zum Thema Tierschutz

Die Debatte, welche Haltung artgerecht ist und wann Tiere leiden, wird häufig mit Inbrunst geführt. Jedoch fehlen oft die Fakten, um Argumente zu untermauern und Verbesserungen zu erreichen.

Selbst angehende Biologen lernen im Studium meist kaum etwas über das Thema. An der Universität Münster wird der Tierschutz im Fachbereich Biologie daher groß geschrieben – mit einem deutschlandweit einmaligen Ausbildungskonzept.

„Es gibt in Deutschland ein Defizit in der Ausbildung im Tierschutz“, bringt Prof. Dr. Norbert Sachser, Verhaltensbiologe und Dekan des Fachbereichs Biologie, das Problem auf den Punkt. Privatdozentin Dr. Sylvia Kaiser ergänzt: „Gerade Biologen und Biologielehrer werden oft auf das Thema angesprochen. Die geraten dann ins Schwimmen, weil sie nichts darüber wissen.“ Bei den münsterschen Studierenden ändert sich das. Seit rund zwei Jahren bietet der Fachbereich Biologie im Rahmen der Bachelor- und Masterstudiengänge Ausbildungsmodule rund um den Tierschutz an.

Die Studierenden erfahren durch Vorlesungen, Praktika und Exkursionen unter anderem, welche Alternativen zu Tierversuchen bestehen und welche wissenschaftlichen Grundlagen es gibt, um die Emotionen von Tieren zu beurteilen. Dabei wird auch mit so manchem Vorurteil aufgeräumt. „Ein Meerschweinchen, das seit zehn Minuten auf dem Schoß gestreichelt wird, sieht ja sehr zufrieden aus. Unsere Messungen zeigen jedoch, dass bei dem Tier die Konzentration von Stresshormonen im Blut steigt“, so Prof. Sachser.

Studierende, die über die angebotenen Kurse hinaus Interesse an dem Thema haben und ihre Abschluss- oder Doktorarbeit im Bereich Tierschutz schreiben wollen, werden von Prof. Sachser an passende Stellen vermittelt. So zum Beispiel seine Doktorandin Nadine Reefmann: Die junge Biologin arbeitet im „Zentrum für tiergerechte Haltung: Wiederkäuer und Schweine“, einer Außenstelle des Bundesamts für Veterinärwesen an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (Schweiz). Sie untersucht, wie man die Befindlichkeit von Schafen erkennt.

„Bislang geht man davon aus: Wenn es einem Schaf nicht schlecht geht, geht es ihm gut“, erklärt Reefmann. Die Wissenschaftlerin sucht nach einem besser geeigneten Weg, über die Befindlichkeit zu urteilen. Dabei hat sie herausgefunden, dass die Ohrbewegung bei Schafen ein Indikator für die Emotionen der Tieren sein könnte. Ihre Beobachtungen vergleicht sie mit physiologischen Messdaten. Dadurch will sie ein zuverlässiges System entwickeln, nach dem äußerlich zu erkennen ist, ob es einem Schaf wirklich gut geht.

Universitätsverwaltung und Wissenschaftler arbeiten bei dem Lehrprojekt Tierschutz Hand in Hand: Das Konzept wurde gemeinsam von Dr. Joachim Kremerskothen, Tierschutzbeauftragter aus dem Dezernat für Arbeits- und Umweltschutz der WWU, und den beteiligten Mitarbeitern des Fachbereichs Biologie ausgearbeitet. „Zu den Aufgaben von Tierschutzbeauftragten gehört es eigentlich, neue Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche zu etablieren. Ich fand es jedoch wichtig, das Thema auch in die Lehre hinein zu bringen“, so Kremerskothen. Unterstützt von der Servicestelle Safir der Universität Münster, hatte er Fördermittel von der Stiftung für Ersatz und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen (SET) eingeworben und so das Projekt angestoßen.

Seit dem Jahr 2006 steht der Tierschutz nun auf dem Lehrplan; die „Probezeit“ ist vorbei. Bei den Studierenden kommt das Projekt sehr gut an, das zeigen positive Rückmeldungen der Teilnehmer und ausgebuchte Kurse – rund 50 Studierende belegen jährlich die angebotenen Veranstaltungen. Auch Prof. Sachser zeigt sich zufrieden: „Ich freue mich, dass so viele etwas über Tierschutz lernen“.

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Dr. Christina Heimken idw

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