Beschützer auf Abwegen – Ein ungleiches Prion-Paar lässt Neuronen sterben

PrPC in seiner normalen Struktur schützt dagegen die Zellen vor Stress und hat möglicherweise noch andere, bisher unbekannte Funktionen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Professor Jörg Tatzelt von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München zeigt nun online im „EMBO Journal“, dass die toxische Wirkung des fehlgefalteten Prion-Proteins nur in Zellen eintritt, die auch das normale Prion-Protein enthalten.

Möglicherweise gehen die beiden Proteine eine Bindung ein und lösen dann als Komplex Zelltod aus. „Um die Zellen vor Stress schützen zu können, müssen aber auch zwei normale Prion-Proteine eine Verbindung eingehen und ein sogenanntes Dimer bilden“, berichtet Tatzelt. „Wir konnten zeigen, welche Proteindomänen für die Dimerisierung und die stressprotektive Aktivität nötig sind. Insgesamt könnten unsere Ergebnisse möglicherweise den Ansatzpunkt für Therapien von Prion-Erkrankungen liefern.“

Der zweigesichtige römische Gott Janus ist heute das Sinnbild für Zwiespältigkeit und damit auch für Menschen, die scheinbar unvereinbare Eigenschaften zeigen. Doch seine perfekte Entsprechung hat Janus in der Welt der Moleküle gefunden: das Prion-Protein. Dieses Molekül kommt in zwei verschiedenen Formen vor, abhängig von der dreidimensionalen Struktur, in die es gefaltet ist. Proteine sind die wichtigsten Funktionsträger der Zelle. Neu synthetisiert bestehen sie aus einer oder mehreren langen Ketten von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine. Ihre Aufgaben können sie aber erst erfüllen, wenn diese Ketten in eine jeweils spezifische Struktur gefaltet sind. In seiner korrekten Form erfüllt das Prion-Protein einige wichtige Funktionen in der Zelle, unter anderem schützt es vor Stress.

In einer fehlgefalteten Form aber kann das Prion-Protein zu tödlich verlaufenden, bisher nicht therapierbaren neurodegenerativen Leiden führen, etwa die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung des Menschen, den Rinderwahn BSE oder Scrapie beim Schaf. Lange Zeit war der Auslöser dieser Krankheiten unbekannt. Erst Anfang der 80er Jahre stellte der US-amerikanische Forscher Stanley Prusiner die Hypothese auf, dass fehlgefaltete Prion-Proteine ihre korrekt geformten Gegenstücke ebenfalls in die falsche dreidimensionale Struktur ,zwingen' könnten.

Diese Vermutung widersprach einem zentralen Dogma der Biologie, dass nämlich nur Erreger mit einer Nukleinsäure wie dem Erbmolekül DNA Infektionen verbreiten könnten. Es fanden sich aber zunehmend Hinweise, die Prusiners Hypothese von den infektiösen Proteinen weitgehend bestätigten – und ihm letztlich den Nobelpreis für Medizin einbrachten.

In ihrer Untersuchung konnten die Forscher um Tatzelt bestätigen, dass die Produktion von normalen Prion-Proteinen die betreffenden Neuronen vor Stress schützen kann. Sie konnten auch zeigen, dass der toxische Effekt fehlgefalteter Prion-Proteine auf das normal gefaltete und vor Stress schützende PrPC in der Zelle angewiesen ist: In Neuronen, denen PrPC fehlt, können die fehlgefalten Prion-Proteine keinen Schaden anrichten. Vermutlich hängt die stressprotektive Aktivität des normalen Prion-Proteins davon ab, dass zwei solche Moleküle eine Verbindung eingehen, also ein Dimer bilden. Das Forscherteam konnte zudem entschlüsseln, welche Abschnitte in den Proteinen für diese Funktion essentiell sind. Darunter waren auch zwei bislang unbekannte Proteindomänen.

„Es lässt sich nun spekulieren, dass die fehlgefalteten Prion-Proteine ihre toxische Wirkung nur zeigen können, wenn sie je mit PrPC eine Verbindung eingehen, um so einen Komplex aus einem normalen und einem fehlgefalteten Prion-Protein zu bilden“, sagt Tatzelt. „Wir wissen aber noch nicht, wie ein derartiger Komplex aus zwei ungleichen Partnern den Zelltod auslöst. Wir wollen nun die Signalkette in weiterführenden Versuchen untersuchen. Unsere Ergebnisse liefern aber auch jetzt schon wichtige Einsichten in den Mechanismus der Schutzfunktion normaler Prion-Proteine wie auch in die krankmachende Wirkung ihrer fehlgefalteten Gegenstücke. Möglicherweise lassen sich diese Erkenntnisse in Zukunft auch in Therapien von Prion-Erkrankungen umsetzen.“

Publikation:
„Stress-protective signalling of prion protein is corrupted by scrapie prions“,
Angelika S. Rambold, Veronika Müller, Uri Ron, Nir Ben-Tal,
Konstanze F. Winklhofer and Jörg Tatzelt,
EMBO J. 2008 Jun 19. [Epub ahead of print]
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jörg Tatzelt
Adolf-Butendandt-Institut der LMU
Tel.: 089 / 2180 – 75 – 442 / – 458
Fax: 089 / 2180 – 75 – 415
E-Mail: Joerg-Tatzelt@med.uni-muenchen.de
Web: http://haass.web.med.uni-muenchen.de/Research/NBC/index.html

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

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