Zucker im Weltraum?

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich durch die Reaktionen von Kohlenstoff mit Wasser letztlich Zucker (Kohlenhydrate) im Weltraum bilden können oder auch in der sehr frühen Erdgeschichte auf diese Art gebildet haben könnten.

Arbeiten der Gruppe um den Gießener Wissenschaftler Prof. Peter R. Schreiner (mit Dr. Hans Peter Reisenauer, beide Institut für Organische Chemie), die in der aktuellen Ausgabe der „Nature“ veröffentlicht werden, zeigen jedoch, dass dies sehr unwahrscheinlich ist.

Dazu stellten sie erstmalig ein sehr schwer zu fassendes Schlüsselmolekül her: Hydroxycarben (H-C-OH). Das Kohlenstoffatom in Carbenen hat nur zwei Bindungen anstelle der üblichen vier, so dass dieses Molekül hochreaktiv ist. Zwar gibt es auch stabile Verwandte, doch die Familie der Hydroxycarbene wurde erstmals mit der nun in „Nature“ publizierten Arbeit erschlossen („Capture of hydroxymethylene and its fast disappearance through tunnelling“).

Zur zweifelsfreien Identifikation hat sich die Gruppe mit Forschern aus den USA (Prof. Wesley D. Allen und Mitarbeiter, University of Georgia, Athens) und Ungarn (Prof. Attila Császár und Mitarbeiter, Eötvös Universität, Budapest) zusammengetan, um mittels genauester quantenmechanischer Berechnungen die Experimente eindeutig interpretieren zu können.

Zur Überraschung aller ließ sich Hydroxycarben zwar unerwartet leicht erzeugen und in einer Matrix aus festem Argon nahe am absoluten Nullpunkt nachweisen, doch verschwand es auf zunächst unerklärliche Weise binnen weniger Stunden. Es konnte gezeigt werden, dass Hydroxycarben durch einen nicht-thermischen, quantenmechanischen Tunnel-Mechanismus mit einer Halbwertszeit von nur zwei Stunden in das Formaldehydmolekül umlagert. Dies geschieht, obwohl Hydroxycarben in einem tiefen energetischen Tal liegt und nicht genug Energie besitzt, um die es umgebenden „Berge“ zu überwinden. Stattdessen bahnt es sich seinen Weg durch den „Berg“ hindurch! Dieses Phänomen wurde bisher für solch hohe Barrieren noch nie beobachtet.

Das bedeutet, dass viele Prozesse, bei denen Wasserstoffatome übertragen werden (zum Beispiel Reduktionen) eventuell überdacht werden müssen. Damit ist auch die Beteiligung von Hydroxycarben an Reaktionen zur Bildung einfacher Zucker sehr unwahrscheinlich, da es einfach nicht lange genug überlebt. Weiterführende Arbeiten an anderen Hydroxycarbenen werden erwartungsgemäß einen großen Einfluss auf das Verständnis einfacher Molekülreaktionen, aber auch von Liganden in der Metallkatalyse und von biochemischen Prozessen haben.

Kontakt:
Prof. Dr. Peter R. Schreiner, Institut für Organische Chemie
Heinrich-Buff-Ring 58, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-34300, Fax: 0641 99-34301
E-Mail: prs@org.chemie.uni-giessen.de

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Lisa Arns idw

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