Zum ersten Mal wird die Artenvielfalt der Kronenschicht eines europäischen Waldes erforscht

Wissenschaftler aus etwa zehn Ländern werden von dort oben die Artenvielfalt der Tiere (insbesondere der Insekten) sowie der Pflanzen auf einer Fläche von 1500 ha, bestehend aus Eichen, Hainbuchen und Linden, untersuchen. Dieses Luftfahrzeug von 7 Metern Durchmesser, mit dem Namen „Bulle des cimes“ (Baumkronenblase), ist der Nachfolger des „Radeau des cimes“ (Baumkronenfloß), das 1984 zum ersten Mal zur Erkundung der Kronenschicht in Guyana eingesetzt wurde.

„Mitte der 80er Jahre wurden sich die Wissenschaftler der Bedeutung der Biodiversität in den tropischen Wäldern bewusst“, erklärt Bruno Corbara, Ethoökologe an der Blaise-Pascal- Universität in Clermont-Ferrand, der mit der wissenschaftlichen Leitung des Projektes in der Auvergne beauftragt wurde. „Leider verschwinden die natürlichen Lebensräume so schnell, dass die Zeit nicht ausreicht, um alle Arten identifizieren zu können“, setzt er fort. Aus diesem Grund wurden innerhalb kurzer Zeit mehrere Expeditionen mit dem „Radeau des cimes“ in verschiedene Gebiete, wie Guyana, Australien, Kamerun, Gabun und Vanuatu, durchgeführt. Diese Reihe von Forschungsreisen wurde 2003-2004 in Panama abgeschlossen. Nach Angaben von Herrn Corbara wurden dabei eine halbe Million Individuen gesammelt und mehrere Hundert neue Arten entdeckt, vor allem Käfer.

Die Expedition in die Nähe von Clermont-Ferrand ist ein weiterer Schritt bei der Erforschung der Biodiversität: Zum ersten Mal wird ein Wald in der gemäßigten Klimazone Europas studiert. Darüber hinaus hat der Mensch bereits seit längerem immer wieder in den Kreislauf dieses Waldes eingegriffen. Die Anzahl der neu entdeckten Arten wird dort wahrscheinlich geringer sein, als in den Tropen, die Forscher haben sich für dieses Gebiet jedoch auch andere Prioritäten gesetzt: sie wollen vor allem über eine Nullaufnahme1 der Biodiversität in einem europäischen Wald verfügen. Die Forscher wollen in kürzester Zeit so viele Daten wie möglich sammeln, um auf dieser Basis den Entwicklungsverlauf verschiedener Pflanzen- und Tiergattungen nachvollziehen zu können. Diese Nullaufnahme könnte zwei Ziele haben: Erstens die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen menschlicher Aktivität und Entwicklung der Artenvielfalt und zweitens die Messung des Einflusses des Klimawandels.

In der wissenschaftlichen Welt bildet die „Bulle des cimes“ eine Ausnahme. Das Forschungsprogramm findet außerhalb der akademischen Welt, wie Universitäten und Forschungseinrichtungen, statt. Seit 2002 werden die Einsätze der beiden Luftfahrzeuge vom Verband „Pro Natura International“ finanziert, der das Ibisca-Programm (Ibisca: Bestandsaufnahme der Artenvielfalt vom Boden bis hin zur Baumkrone) ins Leben gerufen hat. Für Corbara ist diese unkonventionelle Forschungsstruktur sehr vorteilhaft, denn sie ermöglicht die Zusammenarbeit mit exzellenten Wissenschaftlern und aufgeklärten Laien und gewährleistet in vollem Umfang die wissenschaftliche Freiheit.

Der Ibisca-Einsatz in der Auvergne wird unter anderem von der Region Auvergne und dem Departement Puy-de-Dôme gefördert. Als Eigentümer eines Teils des beobachteten Waldes im Rahmen seiner Kompetenz zum Schutz empfindlicher Naturgebiete, ist das Departement sehr an Empfehlungen zur Bewirtschaftung dieses Gebiets interessiert. Corbara und seine wissenschaftlichen Kollegen haben zugesagt, eine Stellungnahme zum Einfluss verschiedener Waldbewirtschaftungsmaßnahmen zu liefern. Die gesamte vierte Phase des Ibisca-Programms läuft noch bis 2010.

1 Bestandsaufnahme als künftige Vergleichsbasis für weitere Untersuchungen

Kontakt:
http://www.cleyetmarrel. com/site/?id_secteur=2&id_rubrique=8&page=content&id_article=13
Quelle: Le Monde, 04.06.2008
Redakteurin: Claire Nicolas,
claire.nicolas@diplomatie.gouv.fr
Wissenschaft-Frankreich (Nummer 143 vom 11.06.2008)
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