Artenschutz: Waldrapp wird wieder in Mitteleuropa angesiedelt

Das Forschungsprojekt „Waldrappenteam“ setzt sich bereits seit dem Jahr 2002 für die Wiederansiedlung und den Erhalt des Waldrappen ein, der zur Familie des Ibisse gehört. Das Team unter Leitung des Biologen Johannes Fritz zeigt Zoonachkommen der vor 350 in Europa ausgestorbenen Vögel die Flugroute in italienische Winterquartiere.

Die Zugvögel erlernen diesen Weg eigentlich von ihren Eltern, sind also nicht wie andere Vogelarten im Besitz eines inneren Navigationssystems. Nun übernehmen ihre menschlichen Zieheltern diese Aufgaben mit Hilfe von Ultraleichtflugzeugen. „Unser Ziel ist es so den Waldrapp wieder an historischen Standorten in Europa anzusiedeln“, erklärt Teamleiter Fritz im Gespräch mit pressetext. Seit dem Jahr 2004 werden jährliche Orientierungsflüge mit jeweils 15 Vögel durchgeführt. In diesem Jahr werden die Biologen dabei Gesellschaft von Verhaltensbiologen der Uni Wien bekommen, die erstmals sportwissenschaftliche Daten für die Leistungsfähigkeit von Zugvögel sammeln wollen.

„Es gibt weltweit nur noch eine Kolonie frei lebender Waldrappen“, berichtet Fritz. „Derzeit leben noch rund 350 Individuen in einer Kolonie in Marokko, vor kurzem wurde eine weitere Gruppe von zehn Vögeln in Syrien entdeckt.“ Die einzig verbliebene Kolonie würde aber unter eher suboptimalen Bedingungen leben. „Wenn dieser Population etwas zustößt, wäre auch gleich der ganze frei lebende Bestand verschwunden. Deshalb ist es zur Arterhaltung nötig, wieder Waldrappen im Freiland anzusiedeln“, sagt der Biologe. Insgesamt vier Migrationen hat das Waldrappenteam in Zusammenarbeit mit der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Universität Wien bereits durchgeführt, der fünfte Zug soll im August dieses Jahres starten. Momentan werden die Jungvögel, Nachkommen von Kolonien im marokkanischen Atlas, per Hand aufgezogen, in wenigen Wochen beginnt das Flugtraining im bayrischen Burghausen. Von dort führt der Weg Forscher und Vögel in die Toskana.

Im Rahmen des Projektes „Flugphysiologie ziehender Waldrappen“ begleiten John Dittami, Leiter des Departements für Verhaltenswissenschafter an der Uni Wien, und sein Team die Vögel von Geburt an und sammeln physiologische Daten. „Die Ergebnisse sollen auch helfen, die von uns Menschen geleitete Migration besser auf die Bedürfnisse der Vögel abzustimmen“, erklärt Dittami. Im Vergleich zu den sportlichen Leistungen des Menschen ist die Leistungsfähigkeit von Zugvögeln nämlich ein wenig erforschtes Gebiet.

„Auf der rund 1.200 Kilometer langen Reise werden wir die sportliche Leistung der Waldrappen anhand von Lungenanpassung, Blut-, Fett- und Energiemessung genau untersuchen.“ Zwei Aspekte stehen für die Wissenschaftler dabei im Vordergrund. Zum einen soll die körperliche Prädisposition der Tiere erforscht werden und zum anderen soll beobachtet werden, ob sich bei der Migration ein Trainingseffekt einstellt. Die Waldrappen fliegen ohne Gleitflug auf Tagesetappen bis zu 120 Kilometer hinter den 40 km/h schnellen Leichtflugzeugen her. Die Dauer der Reise schätzt Dittami auf etwa 30 Tage.

Das Wiederansiedlungsprojekt indes trägt erste Früchte. So berichtet Fritz, dass im vergangenen Jahr drei Vögel selbstständig von Italien aus in Richtung Norden geflogen seien, ein Paar habe gebrütet. „Dieses Jahr sind es schon sechs Vögel und bei zwei Paaren beginnt die Brutaktivität. De facto kann man also sagen, dass es wieder frei lebende migrierende Waldrappen – derzeit noch im Rahmen unseres Projektes – in Europa gibt.“

Das einstige Verbreitungsgebiet der Waldrappen zog sich von der Nordküste Afrikas über die arabische Halbinsel bis in die Türkei. Als Kulturfolger kam der Vogel mit dem Menschen nach Europa und ließ sich auch in den Alpen nieder. Die bekannten Kolonien erloschen aber im 17. Jahrhundert wahrscheinlich als Folge von zunehmender Besiedlung seiner Lebensräume, die der Vogel mit dem Menschen teilte, Störung der Brutkolonien und Überjagung.

Media Contact

Claudia Misch pressetext.austria

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