Nanopartikel: Freund oder Feind?

Von Lotuseffect-Sprays bis Easy-to-Clean-Textilien: Die Palette der Produkte, deren Wirkung heute schon auf Nanoteilchen beruht, ist schier unerschöpflich. Doch wie der Körper auf die besonderen Inhaltsstoffe reagiert, ist bislang nicht hinreichend bekannt.

Unter der Federführung von Prof. Dr. Roland Stauber vom Universitätsklinikum Mainz fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) deshalb ein neues Verbundprojekt, welches die biologische Wirkung von Nanopartikeln untersucht. Dabei wollen die Forscher herausfinden, ob und wie Nanoteilchen in eine Zelle gelangen können und was sie dort auslösen.

Für diese Versuche kann das intersdisziplinäre Wissenschaftlerteam auf modernste molekularbiologische Methoden zurückgreifen, mit denen sich beispielsweise der Weg einzelner Nanopartikel in einer Zelle verfolgen lässt. Eingebunden ist das neue Verbundprojekt in das DFG-Schwerpunkt-Programm „Biological Responses to Nanoscale Particles“, welches Anfang des Jahres etabliert wurde.

Die Nanotechnologie gilt nicht umsonst als Wachstumsmarkt der Zukunft. Doch die Nutzung der immensen Potenziale erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit der Materie. Denn wie der menschliche Körper auf die „Winzlinge aus der Nano-Welt“ reagiert ist bislang nicht hinreichend untersucht. Das Besondere: Nanopartikel sind etwa so groß wie typische Biomoleküle und können deshalb – ähnlich wie Eiweißstoffe – von den Zellen aufgenommen werden.

„Was jedoch passiert in einer Zelle die Nanopartikeln ausgesetzt ist? Über welche Wege werden die winzigen Teilchen von der Zelle aufgenommen? Wie und wohin werden sie innerhalb der Zelle transportiert? Können sie die Erbinformation schädigen und so eventuell zur Krebsentstehung beitragen? Das sind viele Fragen, auf die wir bislang nur wenige Antworten kennen“, resümiert Prof. Dr. Roland Stauber von der Mainzer Universitäts-HNO-Klinik. „So zielt unser neues Forschungsprojekt darauf ab, die biologischen Effekte der Kleinstteilchen möglichst umfassend zu analysieren.“

Dazu kommen in der Arbeitsgruppe „Molekulare und Zelluläre Onkologie“ um Professor Stauber zunächst so genannte DNA-Chips zum Einsatz, mit deren Hilfe beinahe die komplette Genaktivität der Zellen sichtbar wird. „So können wir genau verfolgen, welche genetischen Programme durch die Partikel an- oder abgeschaltet werden“, erläutert Prof. Stauber. „Durch die Verwendung menschlicher Zellkulturmodelle als 'lebende Bioreaktoren' lassen sich zudem wichtige Eigenschaften wie Teilungsaktivität oder Erscheinungsbild der Zelle unter dem Mikroskop als Gradmesser für den Gesundheitszustand der Zellen feststellen.“

Viele Nanoteilchen – etwa in Sprays oder im Feinstaub – verbreiten sich hauptsächlich über die Luft und könnten über die Epithelzellen, die die Atemwege auskleiden, aufgenommen werden und letztendlich in den Blutkreislauf gelangen. „Deshalb konzentrieren wir uns auf Epithelzellen der Schleimhäute und des Lungen- bzw. Bronchialgewebes, die als realitätsnahe Modellsysteme dienen und in der Arbeitsgruppe von Prof. Charles James Kirkpatrick in Mainz etabliert sind. Um das 'Lungenmodell im Reagenzglas' zu perfektionieren wird zusätzlich in Zusammenarbeit mit Prof. Hans-Joachim Galla von der Universität Münster das so genannte 'Lungen-Surfaktant' – also der biologisch komplexe aber lebenswichtige Feuchtigkeitsfilm auf der Oberfläche der Lungenzellen – in die Untersuchungen mit einbezogen.“

Schließlich muss auch die Struktur der Nanoteilchen, die auf die Zellen losgelassen werden, genau bekannt sein: Deshalb wollen die Forscher zusammen mit Hochschuldozent Dr. Michael Maskos vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Mainz die jeweiligen Nanopartikel durch einen physikalisch-chemischen „Bar-Code“ genau charakterisieren und zusätzlich farbmarkieren. „So können wir unter dem Fluoreszenz-Mikroskop immer kontrollieren, ob die Teilchen in der Zellnährlösung tatsächlich suspendiert vorliegen oder abweichend von den definierten Versuchsbedingungen verklumpen“, erläutert Prof. Stauber. „Alles in allem wollen wir durch die Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen und fachlicher Disziplinen – die jeweils ihre ganz spezielle Expertise einbringen – das 'Lungenmodell im Reagenzglas' möglichst realistisch nachstellen.“

„Wir hoffen, dass die Ergebnisse aus dem DFG-Schwerpunktprogramm – zu dem unser Verbundprojekt gehört – eine abschließende Risikoabschätzung bezüglich der Verwendung von Nanopartikeln ermöglichen“, blickt Prof. Stauber in die Zukunft. „Das dadurch erzielte molekulare Verständnis der vielfältigen Wechselwirkungen von Nanopartikeln mit menschlichen Zellen soll darüber hinaus aber auch für weitergehende biomedizinische Anwendungen zum Wohle der Patienten genutzt werden.“

KONTAKT:
Univ.-Prof. Dr. Roland H. Stauber, Molekulare und Zelluläre Onkologie
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz
Tel.: (06131) 17 70 02 / 6030, Fax: (06131) 17 66 71
E-mail: rstauber@uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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