Die ganze pflanzliche Schöpfung bewahren

Herbarien sind Schatzkammern des Wissens, in denen botanische Kostbarkeiten aufbewahrt werden, die manchmal schon einige hundert Jahre alt sind. Es obliegt den Mitarbeitern, die von Forschungsreisenden gesammelten Belege den Wissenschaftlern weltweit zugänglich zu machen.

Seit Mitte vorigen Jahres werden im Herbarium Haussknecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Typen südamerikanischer Pflanzen erfasst und digitalisiert. Als Typen werden jene Belege bezeichnet, die zur Beschreibung einer Art dienen. Ermöglicht wird dieses arbeitsintensive Unterfangen durch die Unterstützung der Andrew W. Mellon Foundation aus New York, die Personalkosten übernimmt und technisches Equipment bereitgestellt hat.

Nun hat die Mellon Foundation den Jenaer Botanikern weitere 280.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt, dank derer die Typen-Erfassung auf sämtliche Herkunftsländer ausgeweitet werden kann. Eine folgerichtige Entscheidung, weil bei der Suche nach den lateinamerikanischen Typen der Gesamtbestand durchforstet werden muss. Sind die Belege doch nach Arten und Gattungen geordnet und nicht nach der geographischen Herkunft.

Im Herbarium Haussknecht werden etwa drei Millionen Belege aufbewahrt, darunter sind schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Typen. Sie sind enorm wichtig für die Wissenschaftler, weil mit ihnen Verwandtschaftsbeziehungen von Pflanzen erhellt werden können und sich damit die Suche nach Wirkstoffen intensivieren lässt. „Pflanzen müssen nicht miteinander verwandt sein, selbst wenn sie sich äußerlich stark ähneln“, sagt Dr. Jochen Müller. Als Beispiel führt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Herbariums Haussknecht „Baccharis zongoensis“ an, eine Pflanze, die häufig mit „Baccharis pentlandii“ verwechselt wird.

„Baccharis pentlandii“ werde als Volksarznei gegen Husten, bei Verrenkungen und Verstauchungen sowie als Antiseptikum verwendet. Die Pflanze kommt in der Nebelwaldzone von Süd-Peru bis Zentral-Bolivien recht häufig vor. Möglich sei es jedoch, dass die medizinischen Wirkungen tatsächlich von „B. zongoensis“ ausgehen, sagt Müller. Auf jeden Fall soll nun mit Hilfe des Typenbelegs für Klarheit gesorgt werden.

Jochen Müller arbeitet gemeinsam mit dem geschäftsführenden Kustos des Herbariums Haussknecht Dr. Hans-Joachim Zündorf und der Diplom-Biologin Kristin Victor an der Typen-Erfassung. Unterstützt von zwei technischen Hilfskräften hat das Team bereits über 3.500 Typen aufgespürt, digital erfasst und in eine Datenbank überstellt. Die digitalen Aufnahmen – jede ist etwa 200 Megabyte groß – stehen dann via Internet der globalen Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung.

Prof. Dr. Frank Helmut Hellwig, der den Lehrstuhl für Spezielle Botanik an der Jenaer Universität innehat, unterstreicht die große Bedeutung dieses virtuellen Archivs: „Die Typen sind eine Voraussetzung für die Forschung und sie helfen, bedrohte Arten zu schützen.“ Eine Erklärung dafür ist einfach: Geschützt werden können Arten nur, wenn sie auch bekannt sind.

Das Herbarium Haussknecht befindet sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges im Hauptgebäude der Jenaer Universität. Schwerpunkte der Sammlung sind Südosteuropa und Südwestasien. Im Rahmen des auf die nächsten sechs Jahre angelegten Drittmittelprojekts intensivieren sich die Kontakte der Jenaer Botaniker mit Herbarien auf der ganzen Welt. Bei einem Arbeitstreffen in Panama wurden bereits weitere Schritte besprochen, wie sich die „digitale Globalisierung“ des Wissens fortsetzen lässt. Das Herbarium Haussknecht arbeitet dabei eng mit Wien zusammen. Eine führende Rolle im Verbundprojekt spielt zudem das Herbarium des Royal Botanic Gardens im englischen Kew.

Kontakt:
Prof. Dr. Frank Helmut Hellwig
Institut für Spezielle Botanik mit Herbarium Haussknecht und Botanischem Garten der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 16, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949250
E-Mail: frank.hellwig[at]uni-jena.de

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Stephan Laudien idw

Weitere Informationen:

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