Reifeprüfung für Stammzellen

Stammzellen sind Multitalente: Sie können 220 unterschiedliche Ent-wicklungswege einschlagen und sich in entsprechend viele spezialisier-te Körperzellen verwandeln. Diese Fähigkeit zur Differenzierung wollen sich Biologen und Mediziner zunutze machen, um gezielt Herz-, Haut- oder Nervenzellen für die Therapie verschiedener Krankheiten zu gewinnen.

Doch die derzeit praktizierten Techniken der Stammzellkultur sind noch wenig effizient. Welcher Anteil einer Stammzell-Mischung verwandelt sich in welche Körperzellen? Und unter welchen Bedingungen? „Wir brauchen Gerätesysteme, die immer wieder dasselbe machen und so statistisch abgesicherte Daten liefern“, sagt Prof. Günter Fuhr, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT in St. Ingbert.

Zwei Prototypen von Apparaten zur Stammzelldifferenzierung ermöglichen es erstmals, komplexe Entwicklungswege dieser Zellen systematisch zu untersuchen. Sie sind das Ergebnis des internationalen Projekts „CellPROM“ – „Cell Programming by Nanoscaled Devices“, das die Europäische Union mit 16,7 Millionen Euro gefördert hat und das das IBMT koordinierte. „Die derzeit übliche Zellkultur ist zu weit weg von der natürlichen Situation“, sagt Daniel Schmitt, Projektkoordinator von CellPROM. Denn im Körper kommen die Stammzellen mit gelösten Nähr- und Signalstoffen und einer Vielzahl unterschiedlicher Zellen in Berührung: Millionen von Proteinen sitzen in oder auf den Zellmembranen und regen Stammzellen dazu an, sich in spezialisierte Zellen zu verwandeln.

„Wir wollen den Stammzellen im Labor eine Oberfläche anbieten, die den Zellmembranen möglichst ähnlich ist“, erklärt Schmitt: „Dazu hat das Konsortium verschiedene Verfahren entwickelt, mit denen sich unterschiedliche Biomoleküle effizient auf zellverträgliche Oberflächen bringen lassen.“

In den beiden Automaten – MagnaLab und NazcaLab – kommen die Stammzellen in definierter Weise mit den Signalfaktoren in Kontakt: Im MagnaLab wachsen mehrere hundert Zellen auf Kultursubstraten, die mit Biomolekülen beschichtet sind. Im NazcaLab schwebt eine Vielzahl einzelner Zellen, von Nährlösung umspült, in parallelen Kanälen und trifft dort auf Mikropartikel, die mit Signalfaktoren bestückt sind. „Über ein Mikroskop und eine Kamera dokumentieren wir in Zeitrafferaufnahmen, wie sich einzelne Zellen teilen und differenzieren“, sagt Schmitt.

Dass sich die Multitalente von Oberflächensignalen dazu anregen lassen, sich in spezialisierte Zellen zu verwandeln, belegten die Forscher an etwa 20 unterschiedlichen Zellmodellen.

Media Contact

Daniel Schmitt Fraunhofer-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.ibmt.fraunhofer.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer