Nanopartikel nach Maß

Nanopartikel nach Maß: Die sechseckigen, rund 36 Nanometer messenden Bariumsulfat-Partikel entstehen, wenn die Magdeburger Forscher zwei Mikroemulsionen mischen, die jeweils einen Ausgangsstoff enthalten - und zwar den einen 20 Mal höher konzentriert als den anderen. Bild: Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme<br>

Im Kleinen macht’s die Größe. Egal ob optisch, elektrisch oder chemisch – die Eigenschaften von Nanopartikeln hängen von ihren Maßen und ihrer Gestalt ab. Wie sich diese gezielt beeinflussen lassen, haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg nun untersucht, und zwar an Bariumsulfat-Teilchen in einer Mikroemulsion. Demnach werden Größe und Form der Partikel sowohl von den Mengenverhältnissen der Ausgangsstoffe als auch von der Art und Weise bestimmt, wie die Wissenschaftler diese zusammenbringen. Die Forscher haben zudem Details des Wachstums aufgedeckt. Sie hoffen daher, dieses künftig noch besser steuern zu können (Langmuir, 15. April 2008; DOI: 10.1021/1a703566v)

Strahlend weiß, chemisch kaum angreifbar, in Wasser unlöslich und durchlässig für Röntgenstrahlen – das sind die Merkmale, denen Partikel aus Bariumsulfat viele Anwendungen verdanken: in Farben und Tinten, als Zusatz von Medikamenten, als Füllmittel in Kunststoffen und als Kontrastmittel in der Medizin. Um die Eigenschaften des Materials besser beeinflussen zu können, wollen Chemiker gezielt Partikel von bestimmter Größe und Form produzieren. Die Wissenschaftler des Magdeburger Max-Planck-Instituts ermöglichen das nun im Nanomaßstab.

„Wir verstehen jetzt besser, wie sich die Partikel bilden“, erklärt Kai Sundmacher, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme: „Daher können wir über die Prozessbedingungen auch das Ergebnis beeinflussen.“ Dabei lassen sich ihre Erkenntnisse auch auf andere Substanzen als Bariumsulfat übertragen.

Tröpfchen als Nanoreaktoren

Nanopartikel lassen sich auf vielfältige Weise herstellen – durch Abscheiden von Dampf, Ätzen, Mahlen, um nur einige Methoden zu nennen. Manche davon sind sehr aufwendig, andere liefern keine Teilchen von einheitlicher Größe, und sie eignen sich immer nur für bestimmte Substanzen. Die Magdeburger Prozessingenieure haben sich nun einem weiteren Verfahren gewidmet, um Nanopartikel maßzuschneidern, die wie Bariumsulfat-Teilchen in Lösungen entstehen.

„Wir nutzen die Tröpfchen einer Mikroemulsion als Nanoreaktoren“, erklärt Kai Sundmacher. Emulsionen sind Mischungen von Flüssigkeiten, die sich nicht ineinander lösen – die eine Flüssigkeit bildet daher Tröpfchen, die in der anderen schweben. Allmählich trennen sie sich jedoch, weshalb sich in unbehandelter Milch der Rahm absetzt. Emulgatoren oder Tenside, deren eines Ende im Wasser und deren anderes Ende in Fett löslich ist, verhindern das. Sie legen sich um die Tröpfchen, buchstäblich vermittelnd zwischen Wasser und Fett, und halten so die Tröpfchen in der Schwebe.

Solche Tenside verwenden die Magdeburger Wissenschaftler, um zwei Emulsionen mit den Ausgangsstoffen für Bariumsulfat anzurichten: den beiden Salzen Bariumchlorid und Kaliumsulfat. Diese Substanzen sind jeweils als wässrige Lösungen in Tröpfchen verpackt, die in der wasserabstoßenden Flüssigkeit Cyclohexan schweben. Die eine Emulsion leiten die Forscher nun rasch in die andere. Die Tröpfchen mit den unterschiedlichen Frachten schließen sich dann kurzzeitig zusammen, sodass Bariumchlorid und Kaliumsulfatlösungen miteinander in Kontakt kommen. Sofort bilden sich winzige Kristalle des wasserunlöslichen Bariumsulfats, die allmählich wachsen. Solange bis sie die Tröpfchen ganz ausfüllen.

Die Grenzen des Wachstums

Die Größe der Tröpfchen setzt dem Wachstum der Mikropartikel also eine Grenze: Weil die Tröpfchen nur sechs Nanometer messen, werden auch die Bariumsulfatkristalle nicht größer -zunächst. Endgültig stoppt das Wachstum hier nur, wenn die Forscher Emulsionen miteinander vermengen, die die Ausgangsstoffe in jeweils gleicher Konzentration enthalten. Unterscheiden sich die Konzentrationen in den beiden Emulsionen, wachsen die Nanopartikel weiter: bis sie rund 16 Nanometer groß sind, wenn die Forscher einen Ausgangsstoff zehnfach konzentrierter einsetzen als den anderen, und sogar bis zu etwa 36 Nanometer bei einem 20fachen Konzentrationsunterschied.

Warum der Überschuss eines Salzes wachstumsfördernd auf die Bariumsulfatpartikel wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Offenbar verringert er die Löslichkeit des Tensids. Dann wiederum wirkt das Tensid nicht mehr so effektiv dem Streben der Wassertröpfchen, sich zu vereinigen, entgegen. Es bilden sich größere Tröpfchen, in denen sich auch die Bariumsulfatkristalle zu größeren Partikeln zusammenschließen.

„Dieser Mechanismus spiegelt sich auch im zeitlichen Verlauf des Wachstums wider, den wir beobachtet haben“, sagt Kai Sundmacher. Zu diesem Zweck haben die Wissenschaftler während der Reaktion Proben entnommen, eingefroren und unter einem Transmissionselektronenmikroskop untersucht. Recht schnell sahen sie darin die sechs Nanometer großen Kristalle. Erst allmählich bildeten sich größere Teilchen. Und sie veränderten ihre Gestalt. Während die kleinsten Kristalle kugelförmig sind, formen die Teilchen mittlerer Größe rechteckige Plättchen und die größten sechseckige Plättchen.

Einfaches Rezept für eine Partikelmischung

Bei Bedarf können die Wissenschaftler mithilfe der Mikroemulsionen auch Mischungen von Partikeln zweier Größen und Formen herstellen: Mit unterschiedlich stark konzentrierten Ausgangsstoffen züchten sie erst größere Partikel. Anschließend leiten sie in dasselbe Reaktionsgemisch eine Emulsion, die das Defizit des geringer konzentrierten Stoffes ausgleicht – jetzt entstehen kleinere Teilchen. Die Partikel unterschiedlicher Größe lassen sich zwar auch gesondert produzieren und anschließend mischen. Dann allerdings müssen Partikel aus zwei Reaktionslösungen abgetrennt und gereinigt werden – was im großtechnischen Maßstab aufwendig und teuer ist. „Unser wichtigstes Ziel ist immer, Prozesse so einfach wie möglich zu gestalten“, sagt Kai Sundmacher.

Originalveröffentlichung:

Björn Niemann, Peter Veit und Kai Sundmacher
Nanoparticle Precipitation in Reverse Microemulsions: Particle Formation Dynamics and Tailoring of Particle Size Distributions

Langmuir, 15. April 2008; DOI: 10.1021/1a703566v

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer