Immunzellen behindern Bakterien bei der Krebsbekämpfung

Bakterien, die eigentlich schwerwiegende Darminfektionen auslösen, werden nach Ansicht von Forschern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) eines Tages helfen, feste Tumore zu bekämpfen.

Der wagemutigen Vision liegt eine spezifische Verhaltensweise der Bakterien zugrunde, die die Wissenschaftler bei Mäusen bereits erfolgreich für eine Krebstherapie nutzen konnten: Die Bakterien wandern aktiv in das Krebsgeschwür ein. Das macht sie zu hervorragenden Fähren für Wirkstoffe und andere Substanzen, die sie direkt in das Zentrum eines Tumors bringen können. Doch was theoretisch einfach erscheint, stellt sich in der Biologie zumeist komplexer dar, als zunächst angenommen:

Die Wissenschaftlerin Dr. Kathrin Westphal, die in der Forschergruppe um den HZI-Immunologen Dr. Siegfried Weiß arbeitet, beschäftigt sich mit der Idee des bakteriellen Wirkstofftransportes: „Wir wissen bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts, dass es Bakterien gibt, die in Tumoren wandern. Es ist eine ganz bestimmte Gruppe von Mikroorganismen, die im sauerstoffarmen Milieu gut leben können, wie beispielsweise im Darmtrakt von Mensch und Tier“, erklärt Kathrin Westphal. Bekannte Vertreter dieser Mikrobengruppe sind der für gewöhnlich friedliche Bestandteil der menschlichen Darmflora Escherichia coli, aber auch die schwere Infektionen hervorrufenden Salmonellen und Shigellen.

„Will man diese Bakterien als Fähren benutzen, um beispielsweise Antikrebsmedikamente direkt in das entartete Gewebe zu transportieren, so wäre es natürlich sinnvoll, wenn die Bakterien überall im Tumor vorliegen. Nur dann kann der Wirkstoff jede Krebszelle erreichen. Leider ist das aber nicht der Fall“, so Westphal. Denn die Mikroben versammeln sich innerhalb des Tumors an sogenannten nekrotischen Zonen. Diese Tumorareale sind durch absterbende Zellen gekennzeichnet.

„Dass die Bakterien in Tumoren einwandern, ist dadurch erklärbar, dass in einem Krebsgeschwür das Immunsystem geschwächt ist. Dass sie dann unmittelbar nahe und in einer Nekrose verbleiben muss wohl genau den gleichen Grund haben. Wie bekommen wir die Mikroorganismen nun aber gleichmäßig im Tumor verteilt, um sie therapeutisch zu nutzen? Um das herauszufinden, habe ich mir angeschaut, wie die Region der Nekrose und ihre benachbarten Bereiche überhaupt genau aussehen“, so die Forscherin.

Kathrin Westphal beobachtete in den Gewebeschnitten, dass die Bakterien von „Gesetzeshütern“ des Immunsystems eingekesselt werden: Die Forscherin sah, dass nach einer eingeleiteten Salmonelleninfektion bei einer krebskranken Maus, nicht nur – wie beabsichtigt – die Bakterien sondern auch weiße Blutkörperchen, sogenannte neutrophile Granulozyten, in den Tumor einwandern. Dort kreisen diese „Neutrophilen“ die Bakterien ein und kapseln sie so vom restlichen Krebsgewebe ab. „So abgeschirmt, können die Bakterien natürlich nicht den Krebs bekämpfen. Nachdem wir aber die Neutrophilen entfernt hatten, konnten wir zusehen, wie sich die Bakterien im Tumor ausbreiteten. Auch die Nekrose wuchs an, also starben jetzt vermehrt Krebszellen ab! Dies führte zum Teil zur kompletten Entfernung des Tumors.“

Die Forscherin ist sich nun sicher: Es ist weniger das physiologische Phänomen der Nekrose, das die Salmonellen und ähnliche, potentielle Wirkstofflieferanten zusammenballt und damit unbrauchbar macht. Es ist vielmehr das immunologische Problem mit den Neutrophilen, die den bakteriellen Ferntransport bislang verhinderten. „Nachdem wir das wissen, öffnen sich viele neue Pforten für die Weiterentwicklung der bakteriellen Tumortherapie“, sagt Kathrin Westphal hoffnungsvoll.

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