Gießener Chemie: Mit Volldampf in das "Liebig-Jahr"

Erstmals seit 1997 wieder alle C4-Professuren im Fachgebiet Chemie der Justus-Liebig-Universität besetzt

Gießen ist die einzige Universität in Deutschland, die den Namen eines berühmten Chemikers trägt. Dennoch sah es noch vor wenigen Jahren so aus, als würde die traditionsreiche Chemie in Gießen aufgrund ganz verschiedener Entwicklungen ihrem Ende entgegen sehen. Mittlerweile hat sich das Blatt vollkommen gewendet, und eine junge Mannschaft neuer Professoren rudert zielstrebig zu neuen Ufern. Innerhalb von zweieinhalb Jahren ist es der Universität in einem Gewaltakt gelungen, drei C4- und zwei C3-Professuren für Chemie hervorragend wieder zu besetzen.

Auch mit Blick auf die laufenden Vorbereitungen auf das Liebig-Jahr 2003 zeigt sich, dass die wieder erstarkte Chemie neuen Lebensgeist besitzt und Energie versprüht. Prof. Dr. Jürgen Janek, derzeit Dekan des Fachbereichs 08 – Biologie, Chemie und Geowissenschaften, der 1999 den Reigen der Neuberufungen anführte, ist zuversichtlich, dass sich in Folge der Neubesetzung aller Professuren auch die Studierendenzahlen deutlich verbessern werden. Denn aufgrund der Situation der Chemie in Gießen und des allgemeinen Rückgangs der Zahl der Chemiestudierenden in Deutschland Ende der 90er Jahre sanken die Studierendenzahlen in der Gießener Chemie erheblich – ein Trend, der sich allerdings auch an allen anderen Universitäten, wenn auch meist nicht in so starkem Ausmaß, zeigte. Nachdem sich nun aber auch die berufliche Situation der Chemiker schon allein aufgrund der mittlerweile entstandenen Mangelsituation deutlich verbessert hat, steigen die Studierendenzahlen auch landesweit wieder an. Und so konnte Gießen bereits im Jahr 2001 wieder einen Anstieg der Chemiestudierendenzahlen beobachten. Dennoch ist der Dekan mit den aktuellen Zahlen noch nicht zufrieden, wenn auch die Betreuungssituation für die Studierenden derzeit ideal ist.

Nach Prof. Janek, dessen Hauptarbeitsrichtung die Physikalische Chemie fester Stoffe und speziell die Elektrochemie fester Ionenleiter ist, wurde Prof. Dr. Bernhard Spengler auf die C4-Professur für Analytische Chemie berufen. Prof. Spengler ist ausgewiesener Experte für die Analytik von Biomolekülen und ergänzt das Gießener Forschungsspektrum exzellent. Das gleiche gilt für den nächst berufenen Prof. Dr. Michael Fröba, der als anorganischer Chemiker im Bereich der mesoporösen Festkörper arbeitet und bereits nach kurzer Zeit eine intensive Zusammenarbeit sowohl mit der Physikalischen Chemie wie auch der Gießener Physik eingegangen ist.

Erst vor wenigen Tagen gelang dem Präsidium der Universität der letzte Coup: Den Ruf auf die C4-Professur für Organische Chemie nahm Prof. Dr. Peter Schreiner von der Georgia State University in Athens, USA, an. Die Rufannahme eines in den USA arbeitenden international renommierten Wissenschaftlers ist vielleicht der stärkste Beweis für die neue Attraktivität der Gießener Chemie und hat in Fachkreisen durchaus Beachtung gefunden.

Bereits Anfang dieses Jahres hat der neu berufene C3-Professor für Physikalische Chemie, Prof. Dr. Herbert Over, seinen Dienst angetreten. Der Dekan des Fachbereichs ist außerdem zuversichtlich, dass auch die C3-Professur für Anorganische Chemie in Kürze wiederbesetzt wird. Bereits jetzt zeigt sich, dass eine wesentliche Komponente der Attraktivität der Gießener Chemie für Studierende die hervorragende personelle Betreuungsrelation und die familiäre Atmosphäre im Fachgebiet ist. Die Dozenten kennen praktisch jeden Studierenden mit Namen und können auf Studienprobleme individuell eingehen. Das ist ein Umstand, der in den 90er Jahren nicht zuletzt den großen Erfolg der Chemiestandorte in den neuen Bundesländern, wie z. B. Jena oder Leipzig, ausmachte. Dass die Arbeitsbelastung des Fachgebiets Chemie in Gießen dennoch außerordentlich groß ist, liegt an der umfangreichen Lehre im Fach Chemie für alle benachbarten naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen.

Derzeit sind die Gießener Chemiker emsig an einer kompletten Überarbeitung des Chemiestudiums. In dieser Überarbeitung sollen insbesondere die modernen instrumentellen Aspekte Eingang finden und eine enge Verzahnung mit bio- und materialwissenschaftlichen Arbeits- und Lehrgebieten stattfinden. Die besondere Nähe zur Biologie und zur Biochemie bildet eine der neuen Stärken der Gießener Chemie. Das Jahr 2003 als „Jahr der Chemie“ und der 200. Geburtstag Liebigs ist für die Gießener Chemiker eine zusätzliche Herausforderung, Tradition und lebendige Gegenwart miteinander zu verbinden und dies auch darzustellen. Ziel ist es, die nach wie vor große Bedeutung der Chemie für unsere hochtechnisierte Gesellschaft im Kontext mit allen angrenzenden Naturwissenschaften darzustellen. Für Begeisterung hat natürlich auch die Äußerung der Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner, kürzlich bei der Eröffnung des „IFZ für Umweltsicherung“ in Gießen hervorgerufen: Die Ministerin hatte mit Blick auf den sanierungsbedürftigen Zustand des Chemikums einen Neubau für die Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen angekündigt.

Gießen ist traditionell ein renommierter Standort für das Studium der Chemie, wie sich wieder einmal im Herbst dieses Jahres zeigen wird. Anlässlich des 80. Geburtstags des Emeritus für Anorganische Chemie, Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Rudolf Hoppe, versammelt sich dann „die Creme“ der Anorganischen Festkörperchemie in Gießen, um gemeinsam mit ihm zu feiern. Ein erheblicher Teil der Gäste, die heute führende Positionen in Industrie und Hochschulen besetzen, ist in Gießen ausgebildet worden. Dass die aktuellen positiven Entwicklungen der Gießener Chemie wieder zu der Attraktivität führen, die Gießen noch vor wenigen Jahrzehnten auszeichnete, ist zu hoffen und zu erwarten. Die Aufbruchstimmung des Personals im Fachgebiet Chemie jedenfalls ist ansteckend, und die überschaubare Größe des Fachgebiets führt zu intensiven Wechselwirkungen zwischen Studierenden und Lehrenden. Im Jahr der Chemie 2003 und anlässlich des 200. Geburtstages von Justus Liebig werden die Gießener Chemiker ihr Fach mit Selbstbewusstsein bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen vertreten.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Jürgen Janek
Dekan des Fachbereichs Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Heinrich-Buff-Ring 58, 35392 Gießen
Tel.: 0641/99-34500
Fax: 0641/99-34509
E-Mail: Juergen.Janek@phys.chemie.uni-giessen.de

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Christel Lauterbach idw

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