Neue Generation von Stammzelldifferenzierungsautomaten vorgestellt

Nach 4-jähriger intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit findet CellPROM – Cell Programming by Nanoscaled Devices, das mit einem Ge-samtvolumen von 26 Mio. € größte Integrierte Projekt im Themenbereich Nano-Biotechnologie des 6. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union, Ende Februar 2008 seinen erfolgreichen Abschluss.

Das Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Günter Fuhr vereinte 27 akademische und industrielle Partner aus 12 Ländern und wurde vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT mit Sitz in St. Ingbert koordiniert.

Ursprüngliches Projektziel war es, Grundmodule für die automatische Zellkultur und Stammzelldifferenzierung zu entwickeln, die später einmal den Ausgangspunkt für neue In-vitro-Gerätesysteme bilden könnten.

Im Projekt konnten nun jedoch nicht nur Module realisiert werden, sondern zwei komplette und völlig verschieden konzipierte und arbeitende Hochdurchsatz-Zelldifferenzierungsautomaten. Deren Tauglichkeit wurde darüber hinaus in Pilotexperimenten belegt, womit die Projekterwartungen weit übertroffen wurden. In beiden Systemen konnte gezeigt werden, dass sich Stammzellen der verschiedensten Herkunft gezielt, effizient und statistisch auswertbar differenzieren lassen.

Grundansatz der Gerätesysteme ist, dass Stammzellen sowohl über Signalfaktoren aus der Nährlösung – vor allem aber über komplex immobilisierte Biomoleküle auf den Kulturoberflächen miniaturisierter Carrier und Nanobeads -hochparallel differenziert werden können. Obwohl im Gewebe während der Embryogenese und der Wundheilung die Zell-Zell-Oberflächenkommunikation eine entscheidende Rolle spielt, ist dies bisher in der In-vitro-Kultur zu wenig berücksichtigt worden. Dies erkannt und technisch umgesetzt zu haben, ist eines der Ergebnisse des Großforschungsprojektes CellPROM. Es handelt sich jedoch nicht nur um na-nostrukturierte Oberflächen, auf denen die Zellen wachsen.

Vielmehr werden auf diesen eine Vielzahl natürlicher Differenzierungs- und Signalfaktoren in Gradienten oder Mustern mit neuen Methoden verankert – ganz nach dem Vorbild der natürlichen Zelloberfläche. Dies vermittelt den Zellen auch auf den künstlichen Oberflächen der Zellkulturautomaten den Eindruck einer Gewebeumgebung und erlaubt es, die Zelldifferenzierungswege gezielt anzusprechen.

Am Beispiel der Umwandlung von Stammzellen in schlagende Herzmuskelzellen allein über Oberflächensignale und nicht wie bisher üblich aus der Umgebungslösung konnte gezeigt werden, dass die Nachbildung der Zelloberfläche einen wichtigen Schritt und methodische Erweiterung für die zukünftige In-vitro-Zellkultur darstellt. Da sich die schlagenden Herz-muskelzellen mit ihren Nachbarn synchronisierten, d. h. im gleichen Takt schlugen, handelt es sich um eine vollständige, funktionale Differenzierung, bei der offensichtlich auch die Zell-Zell-Kontakte gut ausgebildet sind. Während in einem der Automaten jede undefinierte Oberflächenberührung der Zellen vermieden wird, indem diese in freier Lösung schwe-bend mit funktionalisierten Mikropartikeln zu Aggregaten gruppiert und danach in kleinen Kulturkammern abgelegt werden, benutzt der zweite Automat einige Millimeter große Carrier, auf denen die Zellen wachsen und mit diesen in einem Labyrinth von Mikrokanälen bis zu 20 Tage und mehr kultiviert werden können. Beide Systeme bieten in einem Grundkul-tivierungsmedium eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten löslicher und oberflächengebundener Signalfaktoren.

Das Besondere an diesem Projekt ist, dass etwa jeweils zur Hälfte zell- sowie molekularbiologische Gruppen mit physikalisch-technischen Ein-richtungen Hand in Hand gearbeitet haben, Gruppen also, die ansonsten kaum zusammengekommen wären. Alle Mitglieder des internationalen Konsortiums mussten lernen, dass derart komplexe Großgeräte nur dann erfolgreich entwickelt werden können, wenn sich jeder aus seinem eigenen weit in das jeweils andere Forschungsgebiet hineinbewegt. Der Biologe in die Physik, der Ingenieur in die Biologie. Ein durchaus nicht einfacher aber sehr interessanter Prozess, wie das Team der Workpackage-Leader berichtete.

Mit den beiden Prototypen wurde der Weg hin zu einer neuen Generation von Differenzierungsautomaten für die Forschung, später auch die industrielle Anwendung eröffnet. Bisher kennen wir zwar durch zahlreiche gelungene Stammzelldifferenzierungen in aller Welt das Prinzip der Umwandlung in ausdifferenzierte Zellen, verfügen aber nur selten über statistisch belastbare Daten, die es ermöglichen abzuschätzen, wie viele Zellen aus einer Gesamtheit von Zellen differenziert werden konnten oder wie stark dies von der Kulturdauer, der Herkunft aus verschiedenen Tieren und Spezies, den Kulturmedien und Zusätzen und vielem mehr abhängt. Hierzu braucht man Hunderte paralleler Ansätze unter sehr genau erfassbaren und wiederholbaren Randbedingungen, was ohne komplexe Automaten nicht zu bewältigen sein wird. In diese Richtung erfolgreich einen mutigen Schritt nach vorne getan zu haben, ist neben dem technologischen Fortschritt das Verdienst dieses Großforschungsprojektes.

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren eine neue Generation von In-vitro-Kultursystemen entstehen und in den Laboren der Biowissenschaften und den Biotechnologiefirmen Einzug halten wird. Ein systematisches, automatisiertes Screening der hoch komplexen Signalkompositionen und Parameter im Bereich der Zelldifferenzierung und Gewebeinduktion wird folgen, das ohne Automaten – wie die im CellPROM-Projekt entwickelten – sicher nicht auskommen wird. Bereits vor Abschluss des Projektes stand fest, dass in direktem Kontakt mit der Industrie die Entwicklung derartiger In-vitro-Automaten fortgesetzt werden wird. Auch dies ein wichtiges Ziel der Europäischen Forschungsförderung, das von dem Konsortium erreicht wurde.

An dem Projekt arbeiteten Firmen wie Evotec Technologies (Deutsch-land), Leister Process Technologies (Schweiz), GeSIM (Deutschland), Sysmelec (Schweiz), Eurogentec (Belgien), Silex (Schweden), Surface Imaging Systems, AMO, Eurice und tp21 (Deutschland) sowie institutionelle Ein-richtungen wie das Royal Institute of Technology (Schweden), das Institute of Experimental Biology and Technology (Portugal), das Institut Pasteur (Frankreich), das ISAS – Institute for Analytical Sciences, das Institut für Neue Materialien der Leibniz-Gemeinschaft, das Georg-Speyer-Haus und das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie (Deutschland), die Universitäten von Lausanne (Schweiz), Barcelona (Spanien), Saarbrücken (Deutschland), Wien (Österreich), Kaiserslautern (Deutschland), Pavia (Italien), Ljubljana (Slowenien), Tel-Aviv (Israel) und Vilnius (Litauen) in einer ansonsten kaum zu findenden Kooperation zusammen.

Ihre Ansprechpartner:
Dipl.-Phys. Daniel Schmitt (Deputy Co-ordinator)
Telefon 06894/980-120
Email: daniel.schmitt@ibmt.fraunhofer.de
Prof. Dr. Günter R. Fuhr (Co-ordinator)
Email: guenter.fuhr@ibmt.fraunhofer.de

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