Kernspintomograph hilft, Versuchstiere zu schonen

Die Antragsteller um die Professoren Gerhard Heldmaier und Johannes Heverhagen erhalten drei Millionen Euro, um Methoden zu etablieren, mit denen die Anzahl von Versuchstieren sowie deren Belastung reduziert werden sollen. Das Geld wird zur Anschaffung eines Kernspintomographen (MRT) für Kleinsäuger verwendet.

Der Einsatz moderner Bildgebung in tierexperimentellen Studien dient dem Tierschutz im Sinne des so genannten 3R-Konzepts („Reduction, Refinement, Replacement“, also Verminderung, Verfeinerung, Ersatz), da die erforderlichen Messungen ambulant vorgenommen werden können, ohne die Versuchstiere durch invasive Untersuchungen nachhaltig zu beeinträchtigen. „Derzeit scheitert der Einsatz schonender Verfahren häufig daran, dass die erforderlichen Geräte teuer in der Anschaffung und im Betrieb sind“, sagt Heldmaier. Auch stehen zumeist keine standardisierten Mess- und Auswertungsverfahren zur Verfügung: In der Regel müssen Geräte und Software für den jeweiligen Einzelfall angepasst und weiterentwickelt werden, was großes Fachwissen und hohen Personaleinsatz erfordert.

Forschung für den Tierschutz
„Am Zentrum für bildgebende Verfahren sollen geeignete Methoden für die tierexperimentelle Forschung entwickelt und standardisiert werden“, erläutert Heldmaiers Kollege Heverhagen. Dazu zählen Verfahren, mit denen sich Informationen über Morphologie, Funktion und Stoffwechsel gewinnen lassen, ohne dass zu diesem Zweck Versuchstiere getötet oder belastenden Untersuchungen ausgesetzt werden müssen. Der beantragte Kernspintomograph wird in diesem Zusammenhang Daten über Weichteilgewebe generieren, zum Beispiel von Tumoren und großen Organen. Zusätzlich soll mit Unterstützung des Landes ein Positronen-Emissionstomograph/Computertomograph (PET/CT) angeschafft werden, um Informationen aus luftgefüllten Strukturen zu liefern, etwa aus der Lunge. Das Gerät erlaubt außerdem Aussagen über Stoffwechselvorgänge mit geringen Stoffkonzentrationen, wie den Glukoseumsatz oder die Dichte von Neurorezeptoren in Gehirn.
Geeigneter Standort
Marburg ist ein besonders geeigneter Standort für die Einführung von tierschonenden Bildgebungsverfahren, weil in der Tumor-, Entzündungs- und neurologischen Forschung der Philipps-Universität eine große Zahl von Tierversuchen durchgeführt wird. So verwendet die Krebsforschung vor allem Mäuse, um den Verlauf von Tumorerkrankungen zu untersuchen und die Wirksamkeit von Therapien in vivo zu erproben. Diese Forschungsarbeiten können mit erheblichen Belastungen für die Tiere verbunden sein.
Verminderter Verbrauch von Versuchstieren
Die Vorteile Bild gebender Verfahren sind vielfältig: Sie erlauben eine verhältnismäßig frühe Diagnose von Tumoren, ehe die Krankheitsfolgen für die Versuchstiere gravierend werden. Demgegenüber muss bei der herkömmlichen Vorgehensweise eine deutliche Ausprägung der Wucherungen abgewartet werden. Moderne Bildgebung ermöglicht darüber hinaus, den Krankheitsverlauf an einzelnen Individuen zu verfolgen, anstatt Gruppen von Mäusen in verschiedenen Phasen der Entwicklung zu töten. Dadurch verringert sich die Anzahl der benötigten Tiere erheblich. Ein weiterer Fortschritt ist bei der Identifizierung von bösartigen Tochtergeschwulsten zu erwarten, die sich künftig durch einen „Blick ins Innere“ der Versuchstiere erkennen lassen. Bislang müssen diese getötet werden, um überhaupt festzustellen, ob eine derartige Metastasierung vorhanden ist.
Technische Entwicklungsarbeit
Neben der Erforschung von bösartigen Tumoren besteht eine Reihe weiterer Projekte, die am Zentrum für bildgebende Verfahren verfolgt werden. Dazu zählt die Analyse von weit verbreiteten Lungenkrankheiten wie Asthma oder Emphysem, außerdem die nicht-invasive Untersuchung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer sowie die Analyse von Stoffwechselvorgängen. Das Zentrum soll außerdem mit eigenen Anstrengungen zum rasanten technischen Fortschritt der bildgebenden Verfahren beitragen. Die Antragsteller haben hierzu bereits erfolgreiche Vorarbeiten geleistet. „Wir konnten ein Kernspin-Verfahren entwickeln, mit dem in verschiedenen Geweben des Körpers simultan die Temperatur gemessen wird“, so Heverhagen. „Dies erspart die Implantation von Temperaturfühlern und erlaubt außerdem eine Topologie der Wärmeverteilung und Wärmebildung, wie das bisher mit Temperaturfühlern gar nicht möglich war.“
Breites Nutzerspektrum
Die Geräte des Zentrums sollen von allen Arbeitsgruppen der Philipps-Universität und des Klinikums Gießen-Marburg genutzt werden können, die tierexperimentell arbeiten und eine Verbesserung im Sinne der 3R-Konzeption erzielen können. Die Neuanschaffungen stehen auch externen Nutzern zur Verfügung, zum Beispiel aus anderen Hochschulen oder aus der forschenden Pharmaindustrie.
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Prof. Dr. Dr. Johannes T. Heverhagen
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin
Klinik für Strahlendiagnostik
Baldingerstr., 35033 Marburg
Tel.: 06421 28-65916, Fax: 06421 28-68959
E-Mail: heverhag@mailer.uni-marburg.de
Prof. Dr. Gerhard Heldmaier
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Biologie, Tierphysiologie
Karl von Frisch Str. 6, 35032 Marburg
Tel.: 06421 28-23410, Fax.: 06421 28-28937
E-Mail: heldmaier@staff.uni-marburg.de

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