Wie sich Bakterien durch Verstecken vor dem Abbau durch die Wirtszelle schützen

Sind die Lebensbedingungen schlecht, müssen menschliche Zellen mit besonderen Strategien ihr Überleben sichern. So recycelt eine Zelle unter bestimmten Bedingungen eigene Zellkomponenten, um sich auch in dürren Zeiten mit Nährstoffen zu versorgen.

Diesen natürlichen Prozess des Selbstverdaus der Zelle nennt man Autophagie. Neben mißgefalteten Proteinen und Organellen werden auch Bakterien und Viren abgebaut – sofern diese keine Anti-Autophagie-Strategie entwickelt haben.

Wie sich der gefährliche Lebensmittelkeim Listeria monocytogenes vor Autophagie schützt, hat nun eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Trinad Chakraborty (Institut für Medizinische Mikrobiologie, Justus-Liebig-Universität Gießen) und Prof. Dr. Chihiro Sasakawa (Universität Tokio) entschlüsselt. Die Ergebnisse wurden jetzt in „Nature Cell Biology“ veröffentlicht.

Listeria monocytogenes ist ein humanpathogenes Bakterium, das über kontaminierte Lebensmittel aufgenommen wird und im Verlauf der Infektion in menschliche Zellen eindringt. Durch seine Eigenschaft, der Autophagie zu entkommen, gehört es zu den gefährlichsten Lebensmittelkeimen. Die Sterblichkeitsrate bei Infektionen mit diesem Bakterium beträgt bis zu 30 Prozent. Gefährlich sind Listerien-Infektionen vor allem für Schwangere, Neugeborene, ältere und immungeschwächte Menschen.

Um der zelleigenen Abwehr zu entgehen, wendet Listeria monocytogenes zwei sehr menschliche Strategien an: Fliehen und Verstecken. Zur Flucht benutzt das Bakterium nicht seinen eigenen Bewegungsapparat, sondern es „entert“ wirtzellspezifische Bestandteile des Zellskeletts. Verantwortlich dafür ist das bakterielle Oberflächenprotein ActA, das einen Aktinschweif ausbildet, der wie ein Raketenantrieb wirkt und das Bakterium blitzschnell durch die Zelle bewegt. So entgeht das Bakterium anfänglich dem Autophagieprozess innerhalb der Zelle. Wird es aber doch von der Wirtszellabwehr erkannt, versteckt sich das Bakterium mit Hilfe der Wirtszellproteine, die es zur Aktin-vermittelten Bewegung benutzt hat. Es täuscht somit der infizierten Zelle durch seine Aktin-Verkleidung vor, ein Bestandteil der Wirtszelle zu sein.

Mit den nun publizierten Untersuchungen konnten die Mikrobiologen aus Gießen, Japan und den USA erstmals den Zusammenhang zwischen dem bakteriellen ActA-Protein und der Autophagie-Zellverteidigung zeigen: Bakterien, die kein ActA-Protein besaßen, wurden umgehend durch Autophagie von der Wirtszelle abgetötet. War hingegen der zelleigene Autophagieprozess ausgeschaltet, konnten Bakterien ohne ActA-Protein überleben.

Die Aufklärung dieses Mechanismus kann dabei helfen, bakterielle Krankheitsprozesse besser zu verstehen und neuartige Medikamente und Therapien gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln.

Titel der Publikation:
Yuko Yoshikawa, Michinaga Ogawa, Torsten Hain, Mitsutaka Yoshida, Makoto Fukumatsu, Minsoo Kim, Hitomi Mimuro, Ichiro Nakagawa, Toru Yanagawa, Tetsuro Ishii, Akira Kakizuka, Elizabeth Sztul, Trinad Chakraborty & Chihiro Sasakawa: Listeria monocytogenes ActA-mediated escape from autophagic recognition. „Nature Cell Biology“, online veröffentlicht am 13. September 2009:

http://dx.doi.org/10.1038/ncb1967

Kontakt:
Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Institut für Medizinische Mikrobiologie
Frankfurter Straße 107, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-41250, Fax: 0641 99-41259
E-Mail: trinad.chakraborty@mikrobio.med.uni-giessen.de

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