Artenbildung wird prognostizierbar

Einer der vielen afrikanischen Buntbarscharten, die wegen ihrer Farbigkeit auch gerne als Aquarienfische gehalten werden: Pundamilia nyererei. Bild: Eawag<br>

Ob und in welchem Masse dies geschieht, lässt sich weder mit den Umweltbedingungen noch mit artspezifischen Merkmalen allein beantworten. Eine neue Studie der Eawag und der Universität Bern weist nun bei afrikanischen Buntbarschen nach, welche Kombination von Faktoren und Artmerkmalen zu einer hohen Artneubildungsrate führt und damit für die Entstehung von Artenvielfalt ausschlaggebend ist.

Warum entwickeln sich Populationen mancher Artengruppen in wenigen tausend Jahren immer weiter auseinander bis sogar von neuen Arten gesprochen werden muss und andere bleiben über Jahrmillionen wie sie sind? Das ist eine der grossen Fragen zum Werden und Vergehen von Biodiversität. Aus verschiedenen Studien weiss man, dass sowohl Umweltbedingungen, zum Beispiel die Vielfalt von Lebensräumen oder das Klima, als auch artspezifische Merkmale, wie Farbigkeit oder bestimmte Verhaltensmuster, die Artneubildung beeinflussen. Doch darüber, wie diese externen und internen Faktoren zusammenspielen, ist noch kaum etwas bekannt.

Jetzt hat ein Team von Forschenden unter Leitung der Eawag und der Universität Bern diese Zusammenhänge näher unter die Lupe genommen. In der jüngsten Ausgabe von «Nature» weisen sie für Buntbarsche aus 46 afrikanischen Seen nach, dass sich aus einer Kombination von Umwelteinflüssen sowie dem Paarungsverhalten die Wahrscheinlichkeit ableiten lässt, mit der sich aus einem Urahn neue Arten entwickeln oder nicht. Die afrikanischen Buntbarsche (Cichliden) eignen sich besonders für diese Untersuchung, weil sie in grossen afrikanischen Seen im Laufe der Zeit aus ursprünglich wenigen Arten einen extremen Reichtum entwickelt haben. Allein für den Viktoria- und den Malawisee sind über 800 Buntbarsch-Arten bekannt.

Die neue Studie zeigt nun, dass dieses Auseinanderwachsen vor allem dann intensiv ist, wenn der See tief ist und die Sonneneinstrahlung hoch. Kaum einen Einfluss hat dagegen die Grösse der Seen – das überrascht, denn von terrestrischen Arten ist bekannt, dass ihre Diversifizierung unter anderem von der Grösse der Lebensräume abhängig ist. Von den artspezifischen Merkmalen ist vor allem entscheidend, wie selektiv die Fische ihre Partner wählen. Als Mass dafür hat den Forschenden die unterschiedliche Farbigkeit zwischen Männchen und Weibchen bei den Buntbarschen gedient. Treffen die erwähnten ökologischen Faktoren und eine selektive Partnerwahl zusammen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich die Arten auseinander entwickeln.

Der bisher sowohl in der Forschung als auch im Naturschutz vernachlässigte Prozess der Artneubildung wird damit ein Stück weit vorhersagbar. Gleichzeitig erlauben diese Resultate auch Vorhersagen zum negativen Einfluss von menschlichen Aktivitäten auf die Biodiversität. Zum Beispiel ist zu erwarten, dass Artbildungsraten abnehmen und bereits existierende Arten kollabieren, wenn die bewohnbare Tiefe von Seen durch Verschmutzung oder Wasserspiegelabsenkungen verändert wird.

Bibliographische Angaben: Catherine E. Wagner, Luke J. Harmon, Ole Seehausen: Ecological opportunity and sexual selection together predict adaptive radiation, Nature, 10. Juni 2012, DOI: 10.1038/nature11144

Media Contact

Nathalie Matter Universität Bern

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer